Neuregelung der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern

· Stellungnahmen · Familie und Recht

Vorschlag des Familienbundes für die politischen Weichenstellungen im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens zum Sorgerecht.

Nach bislang geltender Rechtslage steht die elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern für das gemeinsame Kind grundsätzlich allein der Mutter zu (§ 1626a Abs. 2 BGB). Die gemeinsame Sorge von Mutter und Vater wird nur durch eine nachträgliche Heirat oder durch Sorgeerklärungen beider Eltern, dass sie die elterliche Sorge gemeinsam ausüben wollen, begründet (§ 1626a Abs. 1 BGB). Eine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit des Vaters für den Fall der Ablehnung der Abgabe einer Sorgeerklärung durch die Mutter hatte der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Nach dem Gesetzeswortlaut kann der Vater gegen den Willen der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht daher nicht erreichen.

Mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 wurde festgestellt, dass ein generell von der Zustimmung der Mutter abhängiges Sorgerecht des Vaters ohne Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung gegen das Elternrecht des Vaters verstößt und verfassungswidrig ist. Ähnlich hatte bereits der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 3. Dezember 2009 argumentiert. Der Gesetzgeber ist nun aufgefordert, die elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern verfassungskonform zu gestalten. Für die Übergangszeit hat das Bundesverfassungsgericht angeordnet, dass das Familiengericht auf Antrag eines Elternteiles die gemeinsame Sorge auf beide Eltern überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. Die Möglichkeit einer Begründung der gemeinsamen Sorge durch die Abgabe von übereinstimmenden Sorgeerklärungen bleibt davon unberührt.

Der Familienbund spricht sich dafür aus, die Regelung des § 1626a BGB zu ergänzen. Geben die Eltern keine übereinstimmenden Sorgeerklärungen ab, soll dem Vater die Möglichkeit eingeräumt werden, die gemeinsame Sorge gerichtlich zu erlangen. Dabei soll angelehnt an die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts Maßstab der gerichtlichen Prüfung das Kindeswohl sein, ohne die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen Sorge zu hoch anzusetzen.

Der Familienbund schlägt folgendes Verfahren vor:
  1. Mit der Geburt des Kindes erhält die Mutter wie bisher das alleinige Sorgerecht.
  2. Der Vater gibt – der aktuellen Rechtslage entsprechend – eine Sorgeerklärung ab, das Sorgerecht gemeinsam ausüben zu wollen. Die Erklärung kann bereits vor der Geburt abgegeben werden. Sorgeerklärungen müssen durch ein Notariat oder durch das Jugendamt öffentlich beurkundet werden. Die beurkundete Sorgeerklärung des Vaters wird der Mutter zugestellt. Gibt die Mutter ebenfalls eine entsprechende Sorgeerklärung ab, wird dadurch die gemeinsame Sorge begründet.
  3. Gibt die Mutter keine Sorgeerklärung ab, hat der Vater die Möglichkeit, nach Ablauf einer Frist in einem nächsten Schritt einen Antrag beim Familiengericht zu stellen. Vorgeschlagen wird eine Frist von acht Wochen ab Zustellung der väterlichen Sorgeerklärung. Bei Zustellung vor der Geburt beginnt die 8-Wochen-Frist mit dem Zeitpunkt der Geburt.
  4. Der Antrag des Vaters ist auf Ersetzung der Sorgeerklärung der Mutter zu richten. Das Familiengericht prüft von Amts wegen, ob sachliche Gründe gegen ein gemeinsames Sorgerecht sprechen. Maßstab ist das Kindeswohl. Besondere positive Voraussetzungen (z.B. Vater hat bereits eine tragfähige Beziehung zum Kind aufgebaut) werden nicht verlangt. Liegen keine durchgreifenden Einwände vor, wird die Sorgeerklärung der Mutter  ersetzt.
  5. Eine Ausschlussfrist, innerhalb derer der Vater ab Geburt bzw. ab Kenntnis seiner Vaterschaft die Sorgeerklärung abzugeben und ggf.  einen Antrag beim Familiengericht zu stellen hat, wird nicht verankert.
  6. Die Verfahrenskosten sind zu teilen.

 

Begründung:

zu 1.)
Der Familienbund strebt eine wesentliche Erleichterung der Begründung einer gemeinsamen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern an. Für Kinder sind in aller Regel beide Elternteile wichtige Bezugspersonen. Väter übernehmen zunehmend Verantwortung auch für nichteheliche Kinder und sollen darin bestärkt werden.

Für die Fälle von Trennung und Scheidung hat der Gesetzgeber mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1998 entschieden, dass die gemeinsame Sorge erhalten bleibt, solange keine anderweitige gerichtliche Entscheidung erfolgt. Damit sollte deutlich werden, dass beide Eltern weiterhin für den Bereich der Pflege und Erziehung ihres Kindes verantwortlich sind.

Indes hält der Familienbund ein gemeinsames Sorgerecht nichtverheirateter Eltern kraft Gesetzes von Geburt an für nicht sachgerecht. Beziehungskonstellationen, in die nichteheliche Kinder hineingeboren werden, sind zu unterschiedlich. Von einer tragfähigen Beziehung zwischen den Eltern kann keineswegs immer ausgegangen werden. Ein gemeinsamer Lebensplan, der auf eine rechtliche Verbindlichkeit gegründet ist, liegt im Unterschied zu verheirateten Paaren nicht vor.

Der Familienbund schlägt vielmehr eine niedrigschwellige Ersetzungsmöglichkeit der fehlenden Sorgeerklärung der Mutter auf Antrag des Vaters beim Familiengericht vor. Erklärt der Vater seinen Willen, an der Verantwortung für die Pflege und Erziehung des Kindes teilzuhaben, soll ihm die gemeinsame Sorge lediglich aus Gründen des Kindeswohls verwehrt werden können. Eine möglichst kontinuierliche Verantwortungsübernahme beider Elternteile schafft – außer in besonders ausgeprägten Konfliktsituationen – grundsätzlich die günstigsten Voraussetzungen für die gedeihliche Entwicklung des gemeinsamen Kindes.

zu 2.)
Der Familienbund hält es für sinnvoll, auf dem derzeitigen Verfahren der Begründung einer gemeinsamen Sorge durch die Abgabe von beurkundeten Sorgeerklärungen (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB) aufzubauen. Den Eltern soll ein vorgerichtliches Verfahren zur Verfügung gestellt werden, um die Kommunikation frühzeitig zu fördern und einen Konflikt um das Sorgerecht nach Möglichkeit nicht vor Gericht auszutragen. Notwendig ist dafür, dass die Sorgeerklärung des Vaters der Mutter durch Zustellung mitgeteilt wird und sie angemessen Zeit erhält, sich – gegebenenfalls nach Beratung durch das Jugendamt und im Austausch mit dem Vater – über ihre Haltung im Klaren zu werden und ihr weiteres Vorgehen zu bestimmen.

zu 3.)
Als angemessen wird eine „Bedenkfrist“ von acht Wochen beginnend mit der Zustellung der väterlichen Sorgeerklärung angesehen. Bei Zustellung vor der Geburt beginnt die 8-Wochen-Frist mit dem Zeitpunkt der Geburt. Ein gerichtliches Verfahren während des Mutterschutzes soll vermieden werden.

zu 4.)
Liegt mit Ablauf der Frist keine Sorgeerklärung der Mutter vor, hat der Vater die Möglichkeit, diese auf Antrag beim Familiengericht ersetzen zu lassen. Das Schweigen der Mutter auf die Sorgeerklärung des Vaters ist nicht als Zustimmung zur gemeinsamen Sorge zu werten. Mit dieser Vorgabe soll der besonderen Lebenssituation der Mutter nach der Geburt eines Kindes Rechnung getragen werden.

Das Familiengericht prüft von Amts wegen am Maßstab des Kindeswohls. Entsprechend der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Übergangslösung sollen die Voraussetzungen nicht zu hoch angesetzt werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl entspricht. Das gilt auch für den Fall des  Getrenntlebens der Eltern, für den § 1687 BGB die jeweiligen Befugnisse definiert. Möchte die Mutter die gemeinsame Sorge vermeiden, muss sich aus ihrem Vortrag ein sachlich durchgreifender Grund im Hinblick auf das Kindeswohl ergeben. Ist das nicht der Fall, wird ihre Sorgeerklärung ersetzt.

Weitergehende Voraussetzungen, die der Vater erfüllen muss, um die gemeinsame Sorge zu erlangen, werden nicht gefordert. Die Mitübernahme der Sorgeverantwortung soll im Sinne des Kindeswohls selbstverständlich möglich und nicht an eine besondere Bewährung gekoppelt sein. Es soll unter anderem vermieden werden, dass die Beteiligung an der elterlichen Sorge erst relativ spät nach der Geburt zugesprochen wird mit der Folge, dass wesentliche Entscheidungen für das Kind bereits getroffen sein können. Wird Vätern erst nach einer längeren Dauer Zugang zum Sorgerecht gewährt, ist ferner eine Entmutigung ihres Engagements zu befürchten.

zu 5.)
Eine Frist, bis zu deren Ablauf die Sorgeerklärung des Vaters abgegeben sein muss, erscheint nicht sinnvoll. Auch eine erst später angestrebte gemeinsame Sorge soll im Sinne einer grundsätzlich zu begrüßenden Verantwortungsteilhabe realisiert werden können. Maßstab bleibt das Kindeswohl.

zu 6.)
Da es im Verfahren um das gemeinsame Sorgerecht nicht um „Sieger“ oder „Verlierer“, sondern vordringlich nur um die bessere Entscheidung für das Kindeswohl gehen kann, wird eine Kostenteilung vorgeschlagen.

 

Berlin, 25. Oktober 2010
Familienbund der Katholiken

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