Familien steuerlich stärken – Von der Kinderbetreuung bis zur Seniorenpflege

· Stellungnahmen · Steuern, Transfers, soziale Sicherung

Öffentliche Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages 23. September 2024

I. Die Priorität: Kinderfreibetrag und Kindergeld

Der Familienbund begrüßt die Initiative, Familien steuerlich stärker zu entlasten. Für den Familienbund ist es ein wichtiges Ziel, dass Familien ihre Existenz durch eigenes Einkommen sichern können – und nicht durch zu hohe Steuern und Abgaben auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Vom eigenen Einkommen leben zu können, stärkt die Selbstwahrnehmung, die Selbstwirksamkeit und das Selbstvertrauen sowie die persönliche Unabhängigkeit und Freiheit. Priorität im Rahmen der Steuerpolitik für Familien ist für den Familienbund die gerechte Besteuerung entsprechend der Leistungsfähigkeit sein. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familien ist mindestens um den Betrag reduziert, der erforderlich ist, um das Existenzminimum der Kinder sicherzustellen. Diesen Betrag steuerlich freizustellen, hat nichts mit Familienförderung zu tun, sondern allein damit, den Gedanken des progressiven Steuertarifs konsequent und fair auf alle Familien anzuwenden. Der Kinderfreibetrag ist aus diesem Grund durch das Grundgesetz vorgeschrieben und durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gesichert. Er ist keine freiwillige Leistung des Staates. Der Hauptzweck des Kindergeldes ist, den Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes sowie den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes (BEA) auszuzahlen. Nur der überschießende Betrag ist eine Förderung von Familien. Viele Familien erhalten das Kindergeld ausschließlich oder zum überwiegenden Teil als Steuererstattung.

Der wichtigste Punkt für den Familienbund aus dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion ist daher der unter Nr. 5 genannte Vorschlag, „den 2024 geltenden Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum um 5,7 Prozent anzuheben und das Kindergeld für 2024 entsprechend anzuheben.“ Der Familienbund hält es für zweifelhaft, ob die vom Bundesfinanzministerium (BMF) derzeit im „Entwurf eines zweiten Jahressteuergesetzes 2024“ vorgesehene Freibetragserhöhung ausreicht, um die aktuellen Kostensteigerungen zu berücksichtigen. Zwar soll der Kinderfreibetrag für das Jahr 2024 noch einmal rückwirkend von 6.384 Euro auf 6.612 Euro erhöht werden, was die Kostensteigerungen des Jahres 2023 abdecken würde; die geplante weitere Anhebung des Kinderfreibetrages zum Jahresanfang 2025 um lediglich 60 Euro bzw. 0,9 % erscheint jedoch angesichts einer Inflationsrate, die im Jahr 2024 bisher durchschnittlich über 2 % liegt, nicht plausibel. Die im Antrag vorgeschlagenen Erhöhung des derzeit noch geltenden Kinderfreibetrages in Höhe von 6.384 Euro um 5,7 % entspricht ungefähr der weiteren Anhebung des zunächst rückwirkend zum Jahresanfang 2024 auf 6.612 Euro erhöhten Kinderfreibetrags um 2 %. Eine Erhöhung in dieser Größenordnung ist notwendig, um auch die Kostensteigerungen des Jahres 2024 zu berücksichtigen. Auch eine Anhebung des Kinderfreibetrages über diesen Wert hinaus wäre im Rahmen des gesetzgeberischen Spielraums möglich und ließe sich gut damit begründen, dass das Kinderexistenzminimum nach der aktuellen Definition und Berechnung sehr knapp – viele würden sagen: zu knapp – bemessen ist. Die im Antrag vorgeschlagene Erhöhung des Kindergeldes ist zu unterstützen. Die von der Bundesregierung für 2025 geplante Kindergelderhöhung um 5 Euro pro Monat von 250 auf 255 Euro ist offensichtlich unzureichend. Das Kindergeld muss immer entsprechend der Entwicklung der Kinderfreibeträge angehoben werden, damit die Familienförderung konstant bleibt und alle Familien von Freibetragserhöhungen profitieren. Legt man die Entwicklung der Freibeträge seit der letzten Kindergelderhöhung zum Jahresanfang 2023 zugrunde, müsste das Kindergeld um 7,2 % von 250 Euro auf 268 Euro erhöht werden. Hier liegt der Antrag der CDU/CSU mit der vorgeschlagenen Erhöhung um 5,7 % auf 264 Euro deutlich näher an der erforderlichen Zielmarke als der Gesetzentwurf der Bundesregierung. Eine solche Erhöhung wäre im Übrigen auch nur eine nominale, aber keine reale Erhöhung der Familienförderung. Es würde lediglich die Kaufkraft wiederhergestellt, die das Kindergeld Anfang 2021 vor Beginn der starken Inflation hatte, als es 219 Euro für das erste und zweite Kind betrug.

Die im Antrag vorgeschlagenen Erhöhungen des Kinderfreibetrages und des Kindergeldes um 5,7 % sind keineswegs überzogen, sondern noch am unteren Rand der vertretbaren Optionen für eine Inflationsanpassung. Auch im Antrag fehlt die Anpassung des zweiten Freibetrags für Kinder: Der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes (BEA) beträgt seit 2021 konstant 2.928 Euro. Die hohe Inflation der letzten Jahre ist bisher in keiner Weise berücksichtigt. Aufgrund dieses Nachholbedarfs wäre eine Erhöhung des BEA auf 3.500 Euro angemessen. Auch diese Anhebung müsste beim Kindergeld entsprechend berücksichtigt werden.

Der Familienbund ist überzeugt: Wenn die Steuern und Sozialabgaben für Familien adäquat bemessen würden – und hier gibt es insbesondere noch großen Nachholbedarf bei der Berechnung des Existenzminimums und den Sozialversicherungsbeiträgen – könnten die meisten Familien ohne eine hinzukommende Familienförderung gut leben. Das oft verbreitete Bild, dass Familien generell auf staatliche Leistungen angewiesen seien, ist verfehlt und wirkt sich negativ auf die Attraktivität des Lebensmodells Familie aus. Familien sind keine Leistungsempfänger. Familien sind Leistungsträger.

Die weiteren im Antrag vorgesehenen Steuererleichterungen wären grundsätzlich sinnvolle Verbesserungen bestehender Regelungen, die Familien in bestimmten Konstellationen zusätzliche Optionen geben würden. Sie hätten aber nicht die Breitenwirkung für alle Familien wie die Erhöhung der Freibeträge für Kinder und die entsprechende Erhöhung des Kindergeldes, die für den Familienbund aus diesem Grund prioritär sind. Die Steuererleichterungen würden eher von Familien mit mittleren und höheren Einkommen genutzt als von solchen mit kleineren Einkommen, da die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen trotz Steuerermäßigung mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist und sich erst ab einer gewissen Einkommenshöhe wirtschaftlich lohnt. Die Mindereinnahmen für den Staat würden aber wohl zumindest teilweise dadurch kompensiert, dass Familien, die haushaltsnahe Dienstleistungen, Kinderbetreuungs- und Pflegeleistungen in Anspruch nehmen, voraussichtlich in höherem Umfang erwerbstätig wären und dadurch mehr Steuern zahlen würden.

Die vorgeschlagenen Steuererleichterungen für die Inanspruchnahme externer familiennaher Dienstleistungen würden die Wahlfreiheit derjenigen Familien stärken, die gerne in einem höheren Umfang erwerbstätig wären. Das ist gut und richtig. Dem Familienbund ist in diesem Zusammenhang aber wichtig darauf hinzuweisen, dass Wahlfreiheit immer alle Wünsche der Familien im Blick haben muss – sowohl die Option zu mehr Erwerbsarbeit als auch den Wunsch, in bestimmten Lebensphasen in einem größeren Umfang persönlich für die Familie da zu sein. Eine Vielfalt an Optionen stärkt die Zufriedenheit, den Zusammenhalt und die Stabilität der Familien und damit auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie zu gewährleisten ist, kann allerdings nicht allein durch Steuerpolitik erreicht werden, sondern nur durch Familienpolitik als Querschnittspolitik.

II. Die Vorschläge im Einzelnen

1. Steuerlicher Abzugsbetrag für „familiennahe Dienstleistungen“

Antrag, „einen steuerlichen Abzugsbetrag für sog. „familiennahe Dienstleistungen“ bis zu einer Höhe von 20 Prozent von maximal 25.000 Euro einzuführen, der die bisherige steuerliche Förderung für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung und haushaltsnahe Dienstleistungen ersetzt und die steuerliche Berücksichtigung ausdehnt“.

Durch diesen Vorschlag würde die differenzierte Regelung des § 35a EStG für Familien vereinfacht und erweitert. Die Unterscheidung zwischen einem haushaltsnahen Minijob und einem haushaltsnahen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis würde entfallen. Zugleich würde die maximal mögliche Steuerersparnis von 4.000 Euro auf 5.000 Euro erhöht. Für Familien, die eine Haushaltshilfe beschäftigen möchten, wäre das eine Erleichterung.

Bedenken könnte man wegen der besseren steuerlichen Berücksichtigung von Minijobs haben, die unerwünschte Anreize für geringfügige Beschäftigung setzen könnte. Der Familienbund sieht Minijobs unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile dieser Beschäftigungsform im Ergebnis kritisch – gerade mit Blick auf die Alterssicherung der geringfügig Beschäftigten und die Abwälzung diesbezüglicher Kosten auf die Allgemeinheit. Die Frage, ob Minijobs weiterhin in den modernen Sozialstaat passen, muss aber in grundsätzlicher Weise beantwortet werden und nicht durch verästelte Differenzierungen bei der Berücksichtigung haushaltsnaher Dienstleistungen im Steuerrecht. Im Steuerrecht ist generell mehr Einfachheit und Verständlichkeit wünschenswert, damit die steuerrechtlichen Möglichkeiten auch von allen Familien genutzt werden und nicht nur von solchen, die sich steuerlich beraten lassen. Daher ist der Vorschlag im Ergebnis zu befürworten.

2. Kinderbetreuungs- und Pflegekosten

Antrag, „einen steuerlichen Abzugsbetrag für die bisher als Sonderausgaben anerkannten Kinderbetreuungskosten in Höhe von 30 Prozent von maximal 6.000 Euro der Aufwendungen für die Betreuung oder Pflege eines nahen Angehörigen einzuführen und die steuerliche Berücksichtigung damit zu erweitern sowie den an den Pflegegrad gekoppelten Pflegepauschbetrag gemäß § 33b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes anzuheben“.

Die Kinderbetreuungskosten sollen nicht mehr als Sonderausgaben von der Steuer abgesetzt werden und das zu versteuernde Einkommen (zvE) reduzieren, sondern als Abzugsbetrag direkt die Steuer reduzieren. Während bisher zwei Drittel der Kinderbetreuungskosten bis maximal 4.000 Euro nicht versteuert werden müssen, sollen zukünftig 30 % der Kinderbetreuungskosten bis maximal 1.800 Euro direkt von der Steuerschuld abgezogen werden können. Familien hätten dadurch in den meisten Konstellationen eine deutlich höhere Steuerersparnis. Durch die Umstellung auf einen Abzugsbetrag wäre zudem die Entlastung einheitlicher, da die Ersparnis nicht mehr von der Höhe des Durchschnittssteuersatzes (bzw. dem Einkommen der Familie) abhängig wäre. Die Regelung wäre insofern sozial gerechter als das geltende Recht.

Die vorgeschlagene Einbeziehung der Aufwendungen für die Betreuung oder Pflege eines nahen Angehörigen erscheint zunächst naheliegend, um die Sorgearbeit am Anfang und am Ende des Lebens gleichzubehandeln. Klärungsbedürftig erscheint für den Familienbund das Verhältnis zum § 35a Abs. 2 S. 2 erster Halbsatz EStG. Hierzu hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass „die Steuerermäßigung [= Steuerabzug] nach § 35a Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz EStG [in Höhe von 20 % bis höchstens 4.000 Euro der Aufwendungen des Steuerpflichtigen] auch von Steuerpflichtigen in Anspruch genommen werden [kann], denen Aufwendungen für die ambulante Pflege und Betreuung eines Dritten [im entschiedenen Fall: der Mutter] erwachsen. Dies gilt auch dann, wenn die Pflege- und Betreuungsleistungen nicht im eigenen Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern im Haushalt der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht werden.“[1] Da durch diese Regelung bereits eine Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von ambulante Pflegeleistungen gegeben ist, müsste der Maximalbetrag des Steuerabzugs bei 4.000 Euro (statt bei 1.800 Euro) liegen, um im Fall der ambulanten Pflege eine Schlechterstellung im Vergleich zum geltenden Recht zu vermeiden.

Die Regelung des § 35a Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz EStG erfasst allerdings nicht den Fall, dass Aufwendungen für die stationäre Pflege eines nahen Angehörigen getragen werden.[2] Ein Gleichklang der steuerlichen Behandlung von ambulanter und stationärer Pflege wäre ein Fortschritt, der die Wahlfreiheit der Familien stärken würde, das von ihnen gewünschte Pflegemodell zu realisieren.

Eine Erhöhung des an den Pflegegrad gekoppelten Pflegepauschbetrag gemäß § 33b Abs. 6 EStG hält der Familienbund mindestens in Höhe eines Ausgleichs der Inflation für richtig.

3. Steuerermäßigung auch für Großeltern, die Kosten tragen

Antrag, „auch Großeltern zu ermöglichen, familiennahe Dienstleistungen im Haushalt ihrer Kinder als steuerlichen Abzugsbetrag geltend zu machen, wenn sie die Kosten getragen haben, da insbesondere auch alleinerziehende Mütter und Väter nur mit der Unterstützung der eigenen Eltern die vielfältigen Aufgaben junger Eltern meistern“.
 
Die Pflegeleistungen sind bereits ein Bereich, in dem auch Personen, die nicht direkt betroffen sind und nicht im selben Haushalt leben, eine Steuerermäßigung gem. § 35a Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz EStG geltend machen können, wenn sie Kosten tragen (siehe II. Nr. 2). Es ist erwägenswert, auch bei familiennahen Dienstleistungen den Kreis der Berechtigten zu erweitern. Gerade im Hinblick auf die Großeltern erscheint es sachgerecht. Großeltern sind in vielen Fällen in das Familienleben und die Kinderbetreuung eingebunden und tragen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ihrer Kinder bei – häufig in erster Linie dadurch, dass sie selbst zeitweise die Kinderbetreuung übernehmen. Wenn sie ihre Kinder und Enkel auch dadurch unterstützen wollen, dass sie z.B. eine Haushaltshilfe bezahlen, spricht nichts dagegen, auch ihnen die Steuerermäßigung für familiennahe Dienstleistungen zu ermöglichen.

4. Steuerbefreiung für Leistungen des Arbeitgebers zur Angehörigenbetreuung

Antrag, „die Steuerbefreiung für Leistungen des Arbeitgebers zur Angehörigenbetreuung auf Kinder bis zum 14. Lebensjahr und zu pflegende Angehörige auszudehnen, um einen Gleichlauf mit der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für familiennahe Dienstleistungen herzustellen“. 
 
Es geht aus der obigen Formulierung nicht hinreichend klar hervor, wie genau die Steuerbefreiung ausgedehnt werden soll. Daher gibt der Familienbund hier keine Bewertung ab. Steuerfrei sind nach dem geltenden Recht gem. § 3 Nr. 34a lit. b EStG „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers […] zur kurzfristigen Betreuung von Kindern im Sinne des § 32 Absatz 1, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten oder pflegebedürftigen Angehörigen des Arbeitnehmers, wenn die Betreuung aus zwingenden und beruflich veranlassten Gründen notwendig ist, auch wenn sie im privaten Haushalt des Arbeitnehmers stattfindet, soweit die Leistungen 600 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen.“

5. Kinderfreibetrag, Kindergeld, Stufung für kinderreiche Familien

Antrag, „den 2024 geltenden Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum um 5,7 Prozent anzuheben und das Kindergeld für 2024 entsprechend anzuheben sowie die bis 2022 bestehende Stufung für kinderreiche Familien ab dem dritten und vierten Kind wiedereinzuführen.“
 
Dass die Anhebung des Kinderfreibetrages und des Kindergeldes im Bereich der Steuerpolitik für Familien zentrale Anliegen des Familienbundes sind, wurde bereits zu Beginn der Stellungnahme ausgeführt (siehe I.).
Die Abschaffung der Stufung für kinderreiche Familien zum 1. Januar 2023 sieht der Familienbund im Zusammenhang mit dem Projekt der Kindergrundsicherung. Nach der Idee der Kindergrundsicherung soll „vom Kind aus gedacht“ werden und dessen Existenzminimum abgesichert werden. Nach diesem Ansatz ergibt es Sinn, für alle Kinder die gleiche Summe zu zahlen – nämlich in Höhe des vollen Existenzminimums. Gegenwärtig gilt allerdings noch das Kindergeld. Und auch der Regierungsentwurf zur Kindergrundsicherung hat sich nicht von den bisherigen Leistungen des Kindergeldes und des Kinderzuschlages gelöst, sondern diese im Wesentlichen lediglich in Kindergarantiebetrag und Kinderzusatzbetrag umbenannt, wobei das Kindergeld in der Sache erhalten bleiben und der Kinderzuschlag reformiert werden soll. Eine wirksame Kindergrundsicherung, die das Kinderexistenzminimum vollständig absichern und die Grundsicherung gemäß SGB II und XII ersetzen würde, ist nicht in Sicht. Somit bleibt es derzeit dabei, dass der Staat mit dem Kindergeld eine Leistung zahlt, die dem Grundgedanken nach die Eltern dabei unterstützt, ihre Unterhalts- und Erziehungspflicht zu erfüllen. Aus dieser Perspektive gibt es gute Argumente dafür, bei der bisherigen Lösung eines erhöhten Kindergeldes für kinderreiche Familien zu bleiben. Denn kinderreiche Familien haben zwar an manchen Punkten Einsparmöglichkeiten (z.B. kann dieselbe Kleidung bei mehreren Kindern verwendet werden). An vielen Stellen haben sie aber Mehrkosten: Sie brauchen oft eine größere Wohnung und ggf. auch ein größeres Auto. Zudem wird es bei vielen Kindern für die Eltern schwieriger, dass beide Eltern in höherem Umfang erwerbstätig sind. Die Eltern haben also Opportunitätskosten. Es erscheint daher angemessen (wenn auch nicht zwingend) beim dritten und vierten Kind jeweils einen höheren Kindergeldbetrag vorzusehen – auch vor dem Hintergrund, dass beim Kindergeld für das vierte Kind bisher keine Inflationsanpassung erfolgt ist.

III. Grundsätzliche Reform des Steuertarifs erforderlich

Der Familienbund hält eine Reform des Steuertarifs für erforderlich, um ein gerechteres Steuersystem zu erreichen. Der Tarif wurde in den letzten Jahrzehnten so gestaucht, dass der Spitzensteuersatz mittlerweile bereits sehr früh erreicht wird. Zugleich steigt die Steuerbelastung bei niedrigen Einkommen besonders stark an (sog. „Mittelstandsbauch“). Vor dem Hintergrund großer Investitionsbedarfe (Klimatransformation, Infrastruktur, Verteidigungsfähigkeit, Bildung, Rente) erscheint eine Reform angezeigt, die einen angemessenen Ausgleich von Entlastungen und Belastungen findet und dem Staat ermöglicht, seine Aufgaben in der Gegenwart und mit Blick auf die Zukunft zu erfüllen. Denkbar erscheint eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, der aber erst deutlich später erreicht werden sollte. Hier bedarf es einer gesellschaftlichen und politischen Debatte.

 

Die Stellungnahme als Download (pdf)


[1] BFH, Urteil vom 12. April 2022, VI R 2/20, Leitsatz Nr. 2.

[2] BFH, Urteil vom 03.04.2019 - VI R 19/17, Leitsatz; Urteil vom 12. April 2022, VI R 2/20, Rn. 17.