Warum beschäftigen wir uns als Familienbund der Katholiken mit dem Thema Familie und Klimagerechtigkeit?
Zwei Stränge sind dabei wichtig – erster Strang:
Die von Papst Franziskus am Pfingstsonntag, den 25. Mai 2015 erlassene Enzyklika Laudato si‘ ist ein Meilenstein in der Entwicklung der katholischen Soziallehre. Erstmals wird das komplexe Themenfeld der ökologischen Herausforderung umfassend auf der Ebene der päpstlichen Lehrschreiben behandelt. Damit schlägt sie ein neues Kapitel der Lehrverkündigung auf. In diesem Mut zu einer radikalen thematischen Erweiterung ist sie mit der Enzyklika Populorum progressio vergleichbar, die Paul VI. 1967 veröffentlichte und die zur Magna Charta kirchlicher Entwicklungszusammenarbeit wurde. Die Enzyklika Laudato si‘ eröffnet ein neues Kapitel der katholischen Soziallehre, vergleichbar mit der Anerkennung der Menschenrechte vor gut 50 Jahren.
Die spezifische Perspektive der Enzyklika Laudato Si auf ökosoziale Fragen, lässt sich durch folgende Merkmale charakterisieren:
- Ein sozialökologischer Ansatz, der den grundlegenden Zusammenhang zwischen Umwelt- und Gerechtigkeitsfragen in den Mittelpunkt stellt. Globale und intergenerationelle Gerechtigkeit können demnach nicht ohne Umweltschutz erreicht werden; zugleich muss Umweltschutz aus ethischen und pragmatischen Gründen von den legitimen Interessen der Armen ausgehen.
- Ein ökotheologischer Ansatz, der den Schrei der Schöpfung und die damit verbundene Not der Armen als Herausforderung für die Kirche und eine Revision des christlichen Naturverhältnisses versteht.
- Ein praxisorientierter Ansatz, der jede und jeden einzelnen zu einer „ökologischen Umkehr“ aufruft und davon ausgehend zugleich einen radikalen Richtungswechsel in der Lebens- und Wirtschaftsweise der reichen Nationen einfordert
Mit den Enzykliken Laudato Si und Fratelli Tutti führt Papst Franziskus die Nachhaltigkeit als weiteres Sozialprinzip in die katholische Soziallehre ein.
Den theologischen Denkhintergrund der Enzyklika Laudato Si bildet die Theologie der Zeichen der Zeit, die 1965 in der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ (Nr. 4 und 11) einen grundlegenden Perspektivenwechsel der katholischen Sozialethik eingeleitet hat. Die Herausforderungen der Krisen und Aufbrüche in der jeweiligen Gegenwart werden als Anrede Gottes an seine Kirche, die es im Licht des Evangeliums zu deuten gilt, verstanden. Konzeptionell ist die Enzyklika durch einen geschichtstheologischen Ansatz geprägt, der davon ausgeht, dass Gott selbst in der Geschichte wirkt und vom Menschen eine je neue Antwort einfordert, die durch Glaube und Liebe auch angesichts existentieller Bedrohungen Hoffnung zu vermitteln vermag. Die ökologische Krise wird als eine spirituelle Krise verstanden, die dazu veranlasst, das christliche Menschenbild und die daraus abgeleiteten kulturellen Leitwerte neu zu durchdenken. Die Anliegen von Laudato Si wurden durch das Apostolische Schreiben Laudate Deum vom 4.Oktober 2023 noch einmal eindrucksvoll unterstrichen und angemahnt.
Zweiter Strang:
Gerade für junge Familien ist Klima- und Umweltschutz wichtig. Die mediale Darstellung der Fridays for Future-Demonstrationen legte den Schluss nahe, dass vor allem die jüngeren Generationen Wert legen auf Umwelt- und Klimaschutz. Zudem ließe sich argumentieren, dass das Thema vor allem für Menschen mit Kindern relevant sei, da ihnen an der Zukunft ihrer Kinder gelegen sei, wohingegen Kinderlose dem Thema weniger Bedeutung beimessen. Beides lässt sich jedoch – laut einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung - nicht bestätigen. Für Menschen aller Generationen ist Umwelt- und Klimaschutz in hohem Maße wichtig. Menschen mit Kindern halten das Thema zwar tatsächlich für etwas wichtiger als Kinderlose, aber der Unterschied ist so gering, dass man konstatieren muss: Kinderlose und Menschen mit Kindern unterscheiden sich in dieser Frage erstaunlich wenig voneinander.
Aus diesen beiden Strängen begründet sich unser Auftrag, aus dem Blickwinkel der Familien für Klimagerechtigkeit und damit für eine kinder- und enkeltaugliche Politik einzutreten. Übrigens trägt uns dieser Familien-Blickwinkel ein Alleinstellungsmerkmal ein. Denn wir schauen mit anderen Augen als ein Umweltverband auf das Thema: wir bringen die familienspezifische Perspektive ein und achten darauf, dass Familien in der Klimapolitik im Blick bleiben und nicht benachteiligt werden. Auch in der Klimapolitik muss es einen Familienlastenausgleich geben, wenn Familien besonders betroffen sind – z.B. von steigenden Stromkosten.