Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs

· Stellungnahmen

Gesetzentwurf des Bundesrates Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs BT-Drucksache 17/1221
Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Ausschussdrucksache 17(13)163


I. Allgemeine Vorbemerkungen *

Unterstützt wird das Anliegen des Entwurfs, den Elterngeldvollzug mittels Pauschalierungen zu vereinfachen. Aufgrund des geringeren Aufwandes bei der Berechnung wird eine schnellere Bearbeitung der Elterngeldanträge erwartet, die Eltern zugutekommt und zudem den Verwaltungsaufwand reduziert. Abgesehen von Sonderfällen erscheinen die Abweichungen gegenüber der bisherigen Berechnung gering und im vertretbaren Rahmen liegend.
Der Charakter des Elterngeldes bleibt von den Änderungen unberührt. Der Gesetzgeber hat das zum 1. Januar 2007 eingeführte Elterngeld mit zwei prägenden Elementen ausgestaltet. Zum einen wurde eine Lohnersatzleistung eingeführt, die entfallendes Erwerbseinkommen ausgleichen soll. Damit wollte der Gesetzgeber dem gesellschaftlichen Trend eines Aufschubs der Geburten im Lebensverlauf Rechnung tragen. Sind Eltern beruflich bereits etabliert, droht im Falle einer kindbedingten Erwerbsunterbrechung ein signifikanter Einkommensverlust, der durch das Elterngeld ausgeglichen werden soll.
Zum anderen entschied sich der Gesetzgeber für die Schaffung eines lohnunabhängigen Mindestbetrages. Er setzt das Anliegen des früheren Bundeserziehungsgeldes fort, insbesondere einkommensschwache Familien in der ersten Lebensphase eines Kindes zu unterstützen. Des Weiteren soll der Mindestbetrag die Anerkennung der Erziehungs-und Betreuungsleistung aller Familien sicherstellen.
Das Elterngeld ist eine der zentralen familienpolitischen Leistungen in Deutschland. Sie stößt nicht zuletzt aufgrund einer Verbindung der Lohnersatzfunktion mit einem die Erziehungsleistung ursprünglich aller Familien anerkennenden Mindestbetrag auf beachtliche Zustimmung in der Bevölkerung und bei jungen Familien, soweit sich die Beurteilung auf das erste Jahr nach der Geburt bezieht.

Gleichwohl bedarf das Elterngeld einer über den vorliegenden Entwurf hinausgehenden Weiterentwicklung. Wahlfreiheit für Familien mit Kindern ist auch im zweiten und dritten Jahr der Elternzeit zu ermöglichen. Dringend notwendig ist die Einführung einer Geldleistung des Bundes im Anschluss an das Elterngeld. Den unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen von Eltern ist mit einem insoweit erweiterten Elterngeldkonzept Rechnung zu tragen.

*Verantwortlicher Referent beim Familienbund der Katholiken:
Markus Faßhauer

 

II. Antworten zum Fragenkatalog


1. Welches sind die wesentlichen Regelungsbestandteile, die eine Vereinfachung des Elterngeldvollzugs bewirken?
Für Arbeitnehmer/innen wird eine Vereinfachung des Elterngeldvollzugs bewirkt durch die Pauschalierung der abzuziehenden Steuern und Sozialabgaben. Bei Selbständigen ergibt sich die Vereinfachung aus der generellen Übernahme von Einkommensdaten aus dem Steuerbescheid im Bemessungszeitraum (Veranlagungszeitraum) vor der Geburt des Kindes und durch die Betriebsausgabenpauschale bei Einkünften während des Bezuges von Elterngeld.

2. Die pauschalierende Ermittlung der Abzüge führt zu Abweichungen zur bisherigen Einkommensermittlung, bei der die tatsächlichen Abzüge für Steuern und Sozialabgaben zugrunde gelegt werden. Wie bewerten Sie Pauschalierungsregelungen im Vergleich zu anderen Leistungen mit einer pauschalierenden Einkommensermittlung (z.B. Wohngeld, Arbeitslosengeld)?

Für Arbeitnehmer/innen ist die Regelung zum Elterngeld dem Leistungsentgelt für das Arbeitslosengeld nachgebildet, insbesondere die Sozialversicherungspauschale und die Berechnung der Steuerpauschale entsprechen derjenigen in § 153 SGB III. Die Übernahme der Regelungen für das Arbeitslosengeld ist wegen der vergleichbaren Zielsetzung – teilweise Ersetzung eines weggefallenen Arbeitseinkommens – im Grundsatz naheliegend. Abgesehen von Sonderfällen wird mit der vorgesehenen Regelung das Nettoarbeitsentgelt im Bemessungszeitraum in vertretbarer Weise abgebildet. Die Abweichungen von den bisher ermittelten Werten dürften gering sein. Allerdings bleiben nunmehr individuelle Steuerfreibeträge unberücksichtigt. Darin ist für Eltern mit entsprechenden Steuerfreibeträgen die wesentliche Abweichung zum geltenden Recht zu sehen.

3. In welcher Hinsicht profitieren die Elterngeldberechtigten von der Umsetzung des Regelungsentwurfs zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs?
Wegen des geringeren Aufwandes bei der Antragsbearbeitung werden eine schnellere Bearbeitung der Anträge und eine leichter verständliche Darstellung der Berechnungsergebnisse im Bescheid erwartet.

4. Bleibt der Charakter des Elterngeldes als einkommensabhängige Lohnersatzleistung durch die geplante Vereinfachung weiter bestehen?
Der Charakter des Elterngeldes als einkommensabhängige Einkommensersatzleistung bleibt erhalten, weil die Einkünfte im Wesentlichen wie bisher berücksichtigt werden. Die Pauschalierung der Steuern und Sozialabgaben stellt eine realitätsnahe Berücksichtigung nicht in Frage.

5. Gibt es unter den betroffenen Personen/Familien ggf. „Verlierer“ der neuen Berechnungsgrundlage, also Personen, die durch die Pauschalierung schlechter gestellt werden?
Individuelle Steuerfreibeträge bleiben im Rahmen der Pauschalierung unberücksichtigt. Eltern mit individuellen Steuerfreibeträgen werden damit schlechter gestellt als nach geltendem Recht. Insbesondere Familien mit Kindern mit Behinderung sind davon betroffen. Notwendig ist eine Lösung, die eine Verschlechterung in diesen Fällen vermeidet, ohne nach Möglichkeit die Vereinfachung des Elterngeldvollzugs grundsätzlich in Frage zu stellen. Denkbar ist z.B. ein prozentualer oder betragsmäßiger Aufschlag auf das errechnete Elterngeld.

6. Familien mit Kindern mit Behinderung können Steuerfreibeträge auf der Lohnsteuerkarte eintragen lassen. Zählen sie zu dem Personenkreis, der durch die Reform schlechter gestellt wird, und wenn ja, welche Ausnahmeregelung wäre für sie dann zu treffen, um diesen Effekt zu verhindern?
Auf die Antwort zu Frage 5. wird verwiesen.

7. Sind Sie der Auffassung, dass mit dem Gesetzesentwurf der Verwaltungsaufwand für den Vollzug des Elterngeldes deutlich gesenkt werden kann und durch die Pauschalierung bei der Einkommensermittlung auch umständliche und bürokratische Rückfragen bei den Antragstellern vermieden werden?
Der Gesetzentwurf ist von den Bundesländern initiiert, denen der Verwaltungsvollzug obliegt. Geht man davon aus, dass die jetzt vorgeschlagenen Änderungen mit den Bundesländern abgestimmt sind, dürfte gemäß der Beurteilung der Länderverwaltungen eine Entlastung der Verwaltung erreicht werden. Die Anlässe zu Rückfragen bei Antragstellern nehmen durch die Pauschalierungen aller Voraussicht nach ab.

8. Wird aus Ihrer Sicht mit dem Gesetzesentwurf der Situation von Selbständigen besser Rechnung getragen?
Ein Problem des geltenden Rechts für selbständige Eltern ist die Schwierigkeit des Einkommensnachweises. Mit der generellen Übernahme des Gewinns aus dem Steuerbescheid dürften Nachweisprobleme für den Bemessungszeitraum weitgehend beseitigt sein. Für etwaige Erwerbseinkünfte während des Bezuges des Elterngeldes ist mit der Möglichkeit des Ansatzes einer Betriebsausgabenpauschale eine Erleichterung geschaffen.

9. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen des Elterngeldes auf die Bereitschaft von Frauen, nach der Babypause frühzeitig wieder in die Erwerbstätigkeit zurückzukehren?
Die Bezugsdauer des Elterngeldes beträgt zwölf Monate. Mit dem Ablauf der Leistung ergibt sich eine signifikante Verschlechterung der Einkommenssituation junger Familien. Der daraus resultierende wirtschaftliche Druck erzwingt faktisch die frühzeitige Erwerbstätigkeit beider Elternteile. Die Bedürfnisse des Kindes und die Zeit-und Betreuungswünsche der Eltern werden dabei ebenso wenig berücksichtigt wie die konkrete Familiensituation, die Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt und die Situation der Betreuungsinfrastruktur.
Beide Elternteile müssen bereits im zweiten Jahr der dreijährigen Elternzeit wieder erwerbstätig sein, wenn der finanzielle „Achterbahn-Effekt“ nicht anderweitig kompensiert (z.B. durch Landeserziehungsgeld) oder aufgefangen werden kann. Die während der Elternzeit in besonderer Weise geschützte Wahlfreiheit im Hinblick auf die Gestaltung der Erwerbs-und Sorgearbeit ist folglich nach der Phase des Elterngeldbezugs nicht gegeben.
Die aufgezeigte Lenkungswirkung ist empirisch nachweisbar. So ist in der im Februar 2012 erschienen Studie „Elterngeld Monitor“ des DIW im Auftrag des BMFSFJ bestätigt worden, dass im zweiten Lebensjahr aufgrund der im Vergleich zum Bundeserziehungsgeld halbierten Bezugsdauer des Elterngeldes vor allem für Mütter mit niedrigem Haushaltseinkommen „Erwerbsanreize“ deutlich gestiegen sind. Während die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit für Mütter mit einem Kind, eine Erwerbstätigkeit im zweiten Lebensjahr aufzunehmen, um knapp drei Prozent gestiegen ist, liegt der Effekt bei Müttern mit niedrigem Einkommen bei 13 Prozent. Der Befund zeigt, dass die frühzeitiger nach der Geburt einsetzende Erwerbstätigkeit zumeist nicht auf einer freien Entscheidung beruht, sondern durch wirtschaftlichen Druck erzwungen wird.

10. Das DIW hat in seinem DIW Wochenbericht 9/2012 festgestellt, dass durch die Einführung des Elterngeldes die Erwerbsbeteiligung von Frauen im ersten Lebensjahr gesunken, dafür im zweiten Lebensjahr -vor allem im unteren Lohnbereich -gestiegen ist. Welche Wirkungen auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen haben allgemein Transferzahlungen für die Betreuung/Erziehung von Kindern, die gezahlt werden, wenn keine Erwerbsarbeit ausgeübt bzw. diese deutlich reduziert wird und sollten solche Transferzahlungen für einen Zeitraum von mehr als den ersten zwölf Lebensmonaten des Kindes hinaus gezahlt werden?
Familienpolitik hat die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Familien eine Verwirklichung ihrer Lebenskonzepte ermöglichen helfen. Dieser Ansatz gewinnt für den Zeitraum der dreijährigen Elternzeit eine herausragende Bedeutung. Für die ersten drei Lebensjahre des Kindes existiert mit der Elternzeit ein gesetzlich besonders geschützter und schützenswerter Schonraum für Familien. Eltern soll während der sensiblen Kleinkindphase, in der es primär um den Aufbau stabiler Bindungen geht, in besonderer Weise ermöglicht werden, eigenverantwortlich und selbstbestimmt über Aufgabenverteilungen und Betreuungsformen zu entscheiden.
Um die elterliche Wahlfreiheit zu gewährleisten, bedarf es neben einer qualitativ hochwertigen Betreuungsinfrastruktur finanzieller Voraussetzungen, die eine Vollerwerbstätigkeit beider Elternteile in den ersten Lebensjahren des Kindes nicht erzwingen. Notwendig ist daher eine spezifische Geldleistung im Anschluss an das Elterngeld für den verbleibenden Zeitraum der dreijährigen Elternzeit. Nutzen Eltern die entsprechende Leistung für eine Reduzierung oder einen Verzicht auf Erwerbsarbeit, um das Kind überwiegend oder ausschließlich häuslich zu betreuen, ist das Ausdruck ihrer bis zum dritten Geburtstag des Kindes in besonderer Weise geschützten Wahlfreiheit.
Dass eine Geldleistung im Anschluss an das Elterngeld für Familien eine wirksame und nachdrücklich erwünschte Unterstützung darstellt, belegen Untersuchungen zu den Landeserziehungsgeldern. So hat das Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg im Jahr 2009 bei einer repräsentativen Elternbefragung zum Bayerischen Landeserziehungsgeld festgestellt, dass 80 Prozent der Eltern die Anschlussleistung für wichtig erachten. Für 71 Prozent trägt die Leistung – sie liegt für das erste Kind bei 150 Euro, für das zweite Kind bei 200 Euro, für jedes weitere Kind bei 300 Euro monatlich – wesentlich zu einer Entspannung der finanziellen Situation der Familie bei. Das Bayerische Landeserziehungsgeld wird unabhängig von einer ausgeübten Erwerbstätigkeit oder einer Nutzung von öffentlichen Angeboten der Kinderbetreuung gewährt. Über die Hälfte der befragten Eltern wünscht eine Ausweitung des durch Einkommensgrenzen eingeschränkten Berechtigtenkreises.
Nicht zuletzt auf diesem Hintergrund ist eine Anschlussleistung des Bundes an das Elterngeld allen Familien zu gewähren. Für Eltern, die ihre Kinder in den ersten Lebensjahren überwiegend häuslich betreuen wollen, erbringt sie einen Beitrag, den Verdienstausfall wenigstens teilweise auszugleichen. Anderen Eltern hilft sie, die nicht unerheblichen Mehrbelastungen bei der Inanspruchnahme von Tagespflegepersonen oder Kindertageseinrichtungen zu finanzieren. Allen Familien gemeinsam würde signalisiert, dass ihre Erziehungsleistung Anerkennung und Wertschätzung erfährt. Im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit von Müttern verhält sich eine allen Familien zu gewährende Leistung neutral und ermöglichend.
Barrieren für die Erwerbsbeteiligung von Müttern sind im Fehlen familienfreundlicher Arbeitsplätze und einer qualitativ hochwertigen Betreuungsinfrastruktur sowie in der strukturellen Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt z.B. durch Niedriglöhne in frauenspezifischen Branchen und Berufen begründet. Betriebliche und staatliche Familienpolitik haben verstärkt dafür Sorge zu tragen, dass Wiedereinstieg und berufliche Entwicklung auch nach zwei oder drei Jahren Elternzeit oder Elternteilzeit ohne Nachteile möglich sind.
Eine Beschränkung der Wahlfreiheit von Müttern und Vätern durch das Vorenthalten einer finanziellen Flankierung der Elternzeit im zweiten und dritten Jahr ist abzulehnen. Sie verfolgt einseitig arbeitsmarktpolitische Interessen, setzt Eltern wirtschaftlich unter Druck, widerspricht dem Kindeswohl und konterkariert das Anliegen von Familienpolitik, Ermöglichungspolitik im Interesse von Familien zu sein.

11. Reduzieren beide Eltern gleichzeitig die Arbeitszeit – statt dass nur eine Person voll aussteigt – und beziehen beide Elterngeld, dann ist der Anspruch bereits nach dem siebten Lebensmonat des Kindes aufgebraucht. Würden Sie es aus gleichstellungspolitischer Perspektive begrüßen, wenn bei einer solchen Aufgabenteilung – es übernehmen beide parallel zur Erwerbsarbeit auch Erziehungsarbeit – ebenfalls zumindest für die ersten zwölf Lebensmonate Elterngeld gezahlt würde?
Ein Teilelterngeld ist aus familienpolitischer Perspektive zu begrüßen. Es eröffnet eine verbesserte Gestaltungsoption für jene Eltern, die Erwerbs-und Sorgearbeit zu gleichen Anteilen erbringen möchten und Teilzeitarrangements bevorzugen. Entsprechende Modelle werden zunehmend gewünscht und gelebt. Die Flexibilität des Elterngeldes nimmt mit einem Teilelterngeld zu.

12. Im Gesetz finden sich etliche nominal festliegende Werte – bspw. das Mindestelterngeld, der Schwellenwert von 1.000 Euro für die erhöhte Ersatzrate oder der Höchstbetrag von 1.800 Euro –, die nicht dynamisiert sind und seit 2007 nicht erhöht wurden. Sollten nach Ihrer Auffassung alle diese Werte anhand der Lohnentwicklung dynamisiert werden, damit das Elterngeld seiner Funktion als Lohnersatzleistung auf Dauer gerecht werden kann, und welcher Realwertverlust dieser Werte hat sich seit 2007/2008 bis heute bereits ergeben?
Handlungsbedarf wird bei der Dynamisierung des Mindestbetrages gesehen. Unter Einbeziehung des „Vorläufers“ Bundeserziehungsgeld wurde der Mindestbetrag seit 1986 nicht angehoben. Um den Realwertverlust auszugleichen, ist ein Mindestbetrag in Höhe von 500 Euro notwendig. Aus sozialpolitischen Erwägungen erscheint eine Anhebung der Höchstgrenze derzeit nicht geboten. Der Leistungskorridor bleibt im Falle der geforderten Anhebung des Mindestbetrages bei gleichzeitig unverändertem Höchstbetrag weiterhin so breit gesteckt, dass keine Veränderung der Lohnersatzfunktion zu konstatieren ist. Der sozialpolitischen Zielrichtung entsprechend ist analog zur Anhebung des Mindestbetrages der Schwellenwert anzuheben. Mindestbetrag und Schwellenwert sind für die Zukunft kraft Gesetzes zu dynamisieren, um den Realwertverlust kontinuierlich auszugleichen.

13. Mit Blick auf die Güterabwägung zwischen wünschenswerter Verwaltungsvereinfachung und Inkaufnahme möglicher Nachteile für Leistungsbezieherinnen, halten Sie die im Gesetzentwurf und im Änderungsantrag vorgeschlagenen Änderungen für notwendig und zielführend (auch unter Beachtung der inzwischen erfolgten elektronischen Datenübermittlung durch das ELSTER-Verfahren)?
Die inzwischen erfolgte elektronische Datenübermittlung bei der Einkommensteuerveranlagung durch das ELSTER-Verfahren ist für die Elterngeldbewilligung nicht nutzbar. Das liegt zunächst daran, dass in vielen Fällen eine Datenübermittlung nicht erfolgt, weil diese nur im Falle einer Einkommensteuerveranlagung und dann freiwillig erfolgt. Außerdem beziehen sich die Daten auf den Veranlagungszeitraum (Kalenderjahr) und nicht auf den Bemessungszeitraum (letzte zwölf Monate vor der Geburt des Kindes). Eine Änderung des Bemessungszeitraums wäre gerade für junge Familien tendenziell ungünstig, weil dann frühere Zeiträume mit möglicherweise geringeren Einkünften berücksichtigt würden.

14. Welche Weiterentwicklung des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit halten Sie entsprechend der Zielsetzung des Gesetzes, fünf Jahre nach dessen Einführung, familienpolitisch, gesellschaftlich, frauen-und geschlechterpolitisch für notwendig und welche Optionen schlagen Sie zu einer Verbesserung vor?
Familien-und gesellschaftspolitisch dringend geboten ist die Einführung einer Geldleistung im Anschluss an das Elterngeld für das zweite und dritte Lebensjahr des Kindes. Für notwendig erachtet wird eine Zahlung an alle Familien. Die Höhe der Anschlussleistung soll dem Mindestbetrag des Elterngeldes, der aktuell bei 300 Euro liegt, entsprechen. (vgl. Frage 10)
Die Anrechnung des Elterngeldes auf Leistungen nach SGB II und XII ist rückgängig zu machen. Seit 1. Januar 2011 wird das Elterngeld auf Leistungen nach SGB II und XII angerechnet. Die Maßnahme führt im Ergebnis zu einem Verlust des Elterngeldes bei den Familien, die ohnehin unter großem wirtschaftlichen Druck stehen. Das Elterngeld dient nach dem Willen des Gesetzgebers auch der Anerkennung und Wertschätzung der Erziehungsleistung von Eltern. Eltern, die auf Sozialtransfers angewiesen sind, bleiben von dieser Anerkennung und Wertschätzung derzeit faktisch ausgenommen.
Um den Realwertverlust auszugleichen, sind der Mindestbetrag von 300 Euro und nachfolgend der Schwellenwert von 1.000 Euro für die erhöhte Ersatzrate jeweils um 200 Euro anzuheben sowie für die Zukunft kraft Gesetzes kontinuierlich zu dynamisieren. (vgl. Frage 12)
Um unterschiedlichen Lebensentwürfen Rechnung zu tragen, ist die Einführung eines sogenannten Teilelterngeldes angezeigt (vgl. Frage 11). Auch der Ausbau der Partnermonate als zusätzliches Angebot wäre eine sinnvolle Maßnahme.
In zeitpolitischer Hinsicht erscheint der Ausbau der Großelternzeit -wie im Achten Familienbericht empfohlen -erwägenswert. Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit für die Betreuung und Erziehung der Kinder wird damit unterstützt. Sie verdient auch unter dem Aspekt der Stärkung der Generationensolidarität Beachtung. Ebenfalls dem Achten Familienbericht folgend werden Maßnahmen empfohlen, die eine erleichterte Durchsetzbarkeit der Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit sowie eine verbesserte Mitbestimmung von Eltern bei der Lage der reduzierten Arbeitszeit zur Folge haben.


Berlin, 30. April 2012
Familienbund der Katholiken

 

*Verantwortlicher Referent beim Familienbund der Katholiken:
Markus Faßhauer


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