Familien- und Generationengerechtigkeit in der Rentenversicherung - Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland: Ein Generationenvertrag
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Gemeinsames Positionspapier von BKU, DFV, FDK und KKV
Familien- und Generationengerechtigkeit in der Rentenversicherung Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland: Ein Generationenvertrag Die gesetzliche Rentenversicherung basiert auf dem sogenannten „Generationenvertrag“ (bzw. dem Umlageverfahren) und damit ökonomisch auf zwei Leistungen:
- Auf den monetären Beiträgen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht für zukünftige Rentenauszahlungen angespart, sondern sofort an die aktuelle Rentnergeneration ausgezahlt werden.
- Auf der Geburt und der Erziehung und Ausbildung von Kindern, die erst ermöglichen, dass auch in Zukunft Renten ausgezahlt werden können (generative Beiträge).
Obwohl beide Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung konstitutiv und unverzichtbar sind, stellt das Rentensystem ganz überwiegend auf die monetären Beiträge der zur zeit Erwerbstätigen ab. Hierbei ist sowohl die Finanzierung über die Beiträge der Arbeit nehmer als auch zunehmend ein Steuerzuschuss aller Steuerzahler tragende Einnahme quelle des Systems. Wer Kinder erzieht und daher weniger Erwerbsarbeit leisten kann, erbringt einen großen (generativen) Beitrag für die gesetzliche Rentenversicherung, erhält aber regelmäßig nur eine niedrige Rente. Umgekehrt erhalten diejenigen, die keine Kinder erziehen und in der Folge viel Erwerbsarbeit leisten können, regelmäßig hohe Renten. Dass die Familienleis tungen von der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gerecht bewertet werden, zeigt sich insbesondere an den niedrigen Renten vieler Frauen. Der Gender-Pension-Gap ist in Deutschland unter allen OECD-Staaten am größten: Frauen beziehen ein um 46 Prozent geringeres Alterseinkommen. Die Sozialversicherung in Deutschland setzt damit ökonomische Anreize für ihre eigene Destabilisierung. Sie ist aber auf beide Beiträge angewiesen: Den monetären und den ge nerativen. Der geistige Vater der gesetzlichen Rentenversicherung und erster Geschäfts führer des BKU, Wilfrid Schreiber, hat das Problem gesehen, dass eine Sozialisierung von Alterslasten bei gleichzeitiger Privatisierung von Kinderlasten die Rentenversicherung aus der Balance bringt und zur Benachteiligung von Familien führt. Deswegen sah sein Kon zept von 1955, der sogenannte „Schreiberplan“, neben der Altersrente eine Kinder- und Ju gendrente vor. Konrad Adenauer hat jedoch auf diese verzichtet und damit den Drei-Ge nerationen-Vertrag von Schreiber nur als Zwei-Generationen-Vertrag umgesetzt. Adenauer hielt eine Kinderkomponente in der Rentenversicherung nicht für erforderlich. Wenn aller dings ein großer Teil der Gesellschaft – wie heute – keine Kinder bekommt und somit keine generativen Beiträge in das Rentensysteme einbringen, entsteht eine Schieflage des Systems und zusätzlich ein Gerechtigkeitsproblem, das Mütter und Väter benachteiligt. Das heutige Rentensystem muss daher dringend reformiert werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich mehrfach mit den Ungerechtigkeiten in der Sozialversicherung befasst:
- Es hat dem Grundgesetz den Auftrag an den Gesetzgeber entnommen, „dass sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung der Familie tatsächlich verringert“ (1992). 1
- Es hat einen Ausgleich zu Lasten kinderloser und kinderarmer Personen nahegelegt: „Der Schutz der Rentenanwartschaften durch Art. 14 Abs. 1 GG [Eigentumsschutz] steht einer maßvollen Umverteilung innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung zu Lasten kinderloser und kinderarmer Personen nicht entgegen“ (1992).
- Es hat zur sozialen Pflegeversicherung – nach der Argumentation des Gerichts übertragbar auf alle Umlageverfahren – entschieden, dass bei Familien aufgrund des generativen Beitrags der monetäre Beitrag reduziert werden muss: „Es ist mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren, dass Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen und damit neben dem Geldbeitrag einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems leisten, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden“ (2001).
Es gibt in der gesetzlichen Rentenversicherung Familienelemente, nach denen sich Kinder erziehung rentenerhöhend auswirkt. Ein Ausgleich zwischen Personen mit vielen Kindern (hoher generativer Beitrag) und Personen mit wenigen oder gar keinen Kindern (niedriger oder kein generativer Beitrag) findet in der Zeit, in der Eltern am stärksten finanziell belastet sind, jedoch nicht statt. In der Zeit, in der junge Menschen Kinder bekommen und sie erziehen, wirkt sich ihre Entscheidung finanziell deutlich zu ihrem Nachteil aus. Hier hilft den Familien nur eine unmittelbare Beitragsentlastung – ohne dass dies zur Minderung der Rentenansprüche aus Kindererziehungszeiten führt.
Der richtige Weg, Gerechtigkeit zwischen den Generationen herzustellen und ökonomische Fehlanreize abzubauen, ist eine Reduzierung der Rentenbeiträge in Abhängigkeit von der Kinderzahl. Es geht bei einer solchen Reduzierung der Rentenversicherungsbeiträge für Eltern nicht um eine Besserstellung von Familien gegenüber Menschen ohne Kinder (die Entlastungswirkung wäre deutlich unter den tatsächlichen Kinderkosten), sondern um die Vermeidung einer Schlechterstellung von Familien. Zudem wird nicht nur zwischen Fami lien und Menschen ohne Kinder differenziert, sondern auch zwischen den Familien je nach Kinderzahl. Der Unterschied in der Entlastung wäre beim Vergleich eines kinderlosen Paares mit einer Ein-Kind-Familie genauso groß wie beim Vergleich einer Ein-Kind-Familie mit einer Zwei-Kind-Familie. Zu berücksichtigen sind nur Kinder, für die finanzielle Verantwortung besteht: Als ohne Kinder gilt, wer keine Kosten (mehr) für Kinder tragen muss.
Die Berücksichtigung des generativen Beitrags bei den Rentenversicherungsbeiträgen könnte auf diese Weise systemimmanente Fehlanreize der Rentenversicherung abbauen, Transparenz über die Funktionsweise des Generationenvertrags herstellen und mehr Gerechtigkeit für Familien und zwischen den Generationen schaffen.
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