Familienministerin Franziska Giffey (SPD) warnt vor einer Zunahme der Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der Corona-Krise: „Sorgen um die Gesundheit, Existenzängste, wenig Ablenkungsmöglichkeiten und viel Zeit auf engem Raum können für Familien zur enormen Belastung werden“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). „Druck und Konflikte können gerade in ohnehin besonders belasteten Familien auch in Gewalt gegen Kinder und Jugendliche münden.“ Familien seien im Moment durch die weitreichenden Kontaktsperren besonders gefordert, so die Ministerin. Einerseits gebe es Eltern, die jetzt mehr Zeit gemeinsam mit ihren Kindern verbringen könnten. „Andererseits können die Betreuung der Kinder zu Hause, Ausgehbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen auch Probleme bereiten.“ Giffey kündigte eine Stärkung der telefonischen Beratungsangebote an. Dazu gehörten die „Nummer gegen Kummer“ (116 111) für Kinder und Jugendliche oder das Elterntelefon (0800 111 0550). Zudem würden niedrigschwellige Hilfsangebote für Kinder, Jugendliche und Eltern im Netz ausgebaut. Alarmiert zeigte sich auch das Deutsche Kinderhilfswerk: „Viele Familien werden an ihre Grenzen geraten, vor allem wenn zusätzliche Stressfaktoren zusammenkommen: Es ist einfacher, sich auf 120 Quadratmetern und einem großen Garten aus dem Weg zu gehen, als in einer 60-QuadratmeterEtagenwohnung“, sagte Geschäftsführer Holger Hofmann den Funke-Zeitungen. Fälle von psychischer und körperlicher Gewalt gegen Kinder würden aber in den nächsten Wochen quer durch die Gesellschaft deutlich zunehmen - „nicht nur dort, wo Familien bereits vorher schon auffällig waren“. Ein Problem sei, dass viele Kinder jetzt keine Ansprechpartner mehr außerhalb der Familie hätten. „Wenn sie Schwierigkeiten haben, sind sie sich selbst überlassen. Ohne den Kontakt zu Erziehern, Lehrern und Sozialarbeitern werden wir vieles, was in den Familien passiert nicht mitbekommen“, so Hofmann. Das Kinderhilfswerk fordert größeren Einsatz der Jugendämter: „Wir beobachten mit Sorge, dass viele Jugendämter gerade ihr Angebot herunterfahren. Viele sind schon gar nicht mehr erreichbar. Das ist gefährlich“, so Hofmann. Die Jugendämter dürften jetzt auf keinen Fall ihr Angebot reduzieren.
Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) fordert in der Corona-Krise mehr Aufmerksamkeit für Familien mit wenig Geld. „Das ist eine Situation, in der Familien, insbesondere Alleinerziehende, vielfach belastet sind und Unterstützung benötigen“, erklärte AWO-Chef Wolfgang Stadler am Dienstag in Berlin. Die Politik müsse Betroffene „langfristig und wirkungsvoll entlasten“. Im durch die Corona-Krise veränderten Alltag bräuchten Familien Hilfe bei der Betreuung der Kinder und Jugendlichen, die zu Hause lernen müssten und nicht mehr in den Einrichtungen gefördert werden könnten. „Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass Familien nebenbei den Lehrplan abarbeiten können - vor allem nicht bei mehreren Kindern“, betonte Stadler. Hierbei sei „auch von unterschiedlichen Voraussetzungen auszugehen, denn Kinder haben nicht immer die gleichen Lern- und Konzentrationsbedingungen zu Hause“. Jedes fünfte Kind in Deutschland sei von Armut betroffen, so Stadler. Er verwies darauf, dass arme Familien aufgrund bundesweiter Schließungen von Betreuungseinrichtungen auch auf kostenfreie Mahlzeiten für Kinder verzichten müssten. Zudem sei es auch nötig, Pflegebedürftige zu unterstützen, die normalerweise von Angehörigen versorgt würden. Stadler forderte barrierefreie Informationen für Menschen mit Behinderung darüber, warum sich deren gewohnter Tagesablauf verändert habe. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)