Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat eine offene Debatte über eine bessere Vereinbarkeit von Familien und Beruf gefordert. Er äußerte sich am Montag im Berliner Schloss Bellevue bei der Entlassung von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel und der Vereidigung von Lisa Paus (beide Bündnis 90/Die Grünen) als deren Nachfolgerin.
Spiegel war nach Kritik an ihrer Amtsführung als Umweltministerin von Rheinland-Pfalz während der Flutkatastrophe im Ahrtal zurückgetreten. Sie hatte einen längeren Urlaub in dieser Zeit unter anderem mit familiärer Überforderung begründet.
"Ich finde es wichtig, dass wir in Politik und Gesellschaft weiter darüber diskutieren, wie wir Erwerbs- und Sorgearbeit besser in Einklang bringen können", sagte Steinmeier laut vorab veröffentlichtem Redemanuskript. Diese Debatte solle offen und ehrlich geführt werden. Mütter und Väter müssten auch "über Schwierigkeiten und Überforderungen sprechen können, ohne befürchten zu müssen, als schwach oder gescheitert abgestempelt zu werden".
Die Erwartungshaltung, dass Beruf und Familie immer, überall und für alle vereinbar sein oder vereinbar gemacht werden müssten, baue da unnötigen Druck auf, "wo Nachsicht, Mitgefühl und pragmatische Lösungen gefragt wären".
Zugleich mahnte Steinmeier bei aller harten politischen Auseinandersetzung in der Sache Fairness und Respekt im persönlichen Umgang an, damit engagierte Menschen bereit seien, politische Verantwortung zu übernehmen. Es stärke die Demokratie, "wenn auch Bürgerinnen und Bürger für Ämter und Mandate kandidieren, die in ihrem privaten Leben Verantwortung für Familie und nahe Menschen übernehmen".
Mit Blick auf Paus, die sich einen Ruf als Finanz- und Wirtschaftspolitikerin erarbeitet hat, verwies er auf das Koalitionsvorhaben, eine Grundsicherung für Kinder einzuführen. Dabei erinnerte er daran, dass die Folgen der Corona-Pandemie besonders Kindern aus armen Familien getroffen habe.
Viele Kinder und Jugendliche hätten den Eindruck, dass ihre Anliegen nicht ausreichend gehört, gesehen oder ernst genommen würden. Deshalb freue er sich, dass Paus ihnen neue Wege der Beteiligung und Mitbestimmung öffnen wolle. Als weitere Herausforderung nannte er die Unterbringung vor allem von alten Menschen, Frauen und Kindern aus der Ukraine, die vor dem "menschenverachtenden Angriffskriegs von Putins Russland" in Deutschland Zuflucht suchen. (KNA)