Vor dem Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober) fordern Vertreter aus Politik und Gesellschaft einen differenzierten Umgang mit den Lebenserfahrungen der Menschen in Ost und West. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, äußerte sich in der "Augsburger Allgemeinen" (Montag) betroffen über den Befund, dass sich viele Ost deutsche abgehängt fühlten. Angesichts von Rechtspopulismus und rechtsextremen Ausschreitungen mahnte er zu gesellschaftlichem Zusammenhalt. "Wir lassen uns unsere Kultur der Weltoffenheit nicht zerstören." Die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann erklärte in Erfurt: "Angesichts der vermehrten Versuche von Krawallmachern, den sozialen Frieden zu stören, braucht es unsere klaren Gegenstimmen und unseren aktiven Einsatz für ehrliche und offene Auseinandersetzungen und friedensstiftende Lösungen." Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, kritisierte eine unterschiedliche Wahrnehmung von rechtsradikalen Ausschreitungen in Ost- und Westdeutschland. "Wir haben ein Problem mit rechtem Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft in Ost und West", sagte sie der "Mitteldeutschen Zeitung" (Montag). "Das hat im Westen andere Traditionen als im Osten. Aber ich sage ganz offen: Chemnitz und Köthen auf der einen Seite und Dortmund auf der anderen Seite sind medial sehr unterschiedlich wahrgenommen worden." In Dortmund gibt es seit Jahren eine Neonazi-Szene mit Verbindungen in die gesamte Bundesrepublik.
Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, sprach sich für mehr gleichberechtigten Austausch zwischen Ost- und Westdeutschen aus. „Gut wäre, wenn das Selbstverständliche, das in den 90erJahren zu oft hinten runterfiel, nachgeholt wird: voneinander zu lernen und voll Interesse den jeweils anderen Erfahrungen zuzuhören“, sagte sie der „Berliner Zeitung“ (Montag). „Beginnen könnte es bei den unterschiedlichen Zugängen zum Thema 50 Jahre 1968: Die einen verbinden damit den Prager Frühling, die anderen die Kulturrevolution im Westen. Beides hat unterschiedliche Erscheinungsformen und doch auch Gemeinsames: das Begehren nach einer besseren Gesellschaft als die existierende.“ Im "Tagesspiegel am Sonntag" hatte die stellvertretende SPD-Chefin Manuela Schwesig betont, die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse müsse Ziel der Politik bleiben. Es gehe nicht länger an, dass die Ostdeutschen länger arbeiteten als die Westdeutschen, aber 15 Prozent weniger Gehalt erhielten. "Das kann ich fast 30 Jahre nach der Deutschen Einheit niemandem erklären." Die Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Sahra Wagenknecht, sagte dem Redaktions-Netzwerk Deutschland (Montag), dass sich die Unterschiede nur mit "aktiver Industriepolitik und massiven Investitionen in die öffentliche Infrastruktur" überwinden ließen. Ein "reines Konjunkturprogramm Ost" wäre allerdings ein Fehler, so Wagenknecht. "Wir brauchen ein Programm für alle Regionen, die Probleme mit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung haben."
Elterngeld und Kita-Ausbau haben die Erwerbstätigkeit von Müttern ab dem zweiten Lebensjahr ihres Kindes in den vergangenen zehn Jahren offenbar erheblich gesteigert. Im zweiten Lebensjahr des Kindes erhöhte sich die Erwerbsbeteiligung der Mütter 2017 gegenüber 2006 um zehn Prozentpunkte, im dritten Lebensjahr um 15 Prozentpunkte. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor, die der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Montag) vorliegt. Demnach wuchs der Anteil der erwerbstätigen Mütter im zweiten Lebensjahr des Kindes von 34,6 Prozent im Jahr 2006 auf 44 Prozent in 2017. Im dritten Lebensjahr waren 44,1 Prozent der Mütter im Jahr 2006 erwerbstätig, 2017 waren es dann 60,1 Prozent. Die IW-Studie zeige allerdings auch, dass durch das Elterngeld die Erwerbstätigkeit der Mütter im ersten Lebensjahr des Kindes deutlich gesunken sei, hieß es weiter. Waren 2006 noch 22,5 Prozent aller Mütter im ersten Lebensjahr des Kindes berufstätig, waren es 2017 nur noch 9,2 Prozent. "Mit dem Elterngeld sollte einerseits ein finanziell gut abgesicherter Schonraum für die Familien im ersten Lebensjahr des Kindes geschaffen und andererseits eine frühe Rückkehr der Mütter in den Arbeitsmarkt gefördert werden. Dass dies tatsächlich erfolgreich war, zeigt die Entwicklung der Erwerbsbeteiligung von Müttern in den ersten Lebensjahren ihrer jüngsten Kinder", sagte IW-Forscher Wido Geis-Thöne. Auch der Anteil der in Vollzeit arbeitenden Mütter sei 2017 deutlich höher gewesen als noch 2006. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)