Der Familienbund der Katholiken hat eine zügige Verabschiedung des Gesetzentwurfs für ein Rückkehrrecht in Vollzeitarbeit angemahnt. "Es wäre ein Affront gegen Mütter und Väter, das Gesetz wieder zu verschieben", sagte Familienbund-Präsident Stefan Becker am Mittwoch in Berlin. Das Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit "hat höchste familienpolitische Priorität". Auch die deutsche Wirtschaft müsse einen zumutbaren Beitrag leisten. Die SPD-Fraktionsvorsitzende und Parteichefin Andrea Nahles hatte der Union eine Blockadehaltung vorgeworfen. Am Mittwoch machte sie sich im Bundestag erneut für ein Rückkehrrecht stark. Es könne nicht sein, dass ständig vom Fachkräftemangel die Rede sei, aber zugleich unzählige Frauen keine Chance hätten, von Teil- auf Vollzeit zu wechseln, obwohl das ihr Wunsch sei. "Diesen Frauen müssen wir doch helfen", sagte Nahles auch mit Blick auf die Arbeitgeber. Zugleich bekräftigte sie, dass ihre Partei keinen Redebedarf mehr habe. Für sie gehe es nunmehr um die Verabschiedung und Umsetzung des Gesetzentwurfs. Nach dem Entwurf aus dem Arbeitsministerium sollen Teilzeitbeschäftigte ab dem 1. Januar 2019 wieder leichter in Vollzeit zurückkehren können. Danach sollen alle Beschäftigten in Betrieben ab 45 Arbeitnehmern ein Recht auf eine befristete Teilzeitphase bekommen, die zwischen einem und fünf Jahre dauern kann. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte den Entwurf vor rund einem Monat in die Ressortabstimmung gegeben. Becker erklärte weiter, fast durchgängig müssten sich Familien "heute den Anforderungen und Taktungen der Arbeitswelt" anpassen. Nun "ist es an der Zeit, dass sich auch die Wirtschaft an die Lebenslagen von Familien anpasst". Notwendig seien Regelungen im Erwerbsleben, die auf Bedürfnisse von Arbeitnehmern "mit Sorgeverantwortung" reagierten. Das Rückkehrrecht stehe bereits zum zweiten Mal im Koalitionsvertrag und sei im Vergleich zum Entwurf aus der vergangenen Legislaturperiode deutlich abgeschwächt.
Beruflicher Aufstieg unabhängig vom Elternhaus ist weiterhin schwierig. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Mittwoch veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Dabei untersuchten die Autoren die absolute soziale Mobilität, also die soziale Stellung im Vergleich zu den Eltern, sowie die relative soziale Mobilität, also inwiefern Kinder im Vergleich zu anderen aus der gleichen Generation bessergestellt sind, als dies bei den Eltern der Fall war. Untersucht wurden auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) westdeutsche Personen der Jahrgänge 1939 bis 1971, die zum Befragungszeitpunkt etwa 45 Jahre alt waren. Dabei gab es zwar in allen untersuchten Gruppen mehr Auf- als Abstiege, aber bei der relativen Durchlässigkeit fanden die Forscher nur geringe Veränderungen. So ist es weiterhin sehr wahrscheinlich, selbst ein leitender Angestellter zu werden, wenn die eigenen Eltern bereits einen solchen Posten innehatten. "Die Wahrscheinlichkeit, dass beispielsweise ein Kind einer Ärztin oder eines Arztes später selbst eine gleichwertige Stellung erreicht, ist konstant sehr viel höher geblieben als die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeiterkind später zum Beispiel Anwalt oder Anwältin wird", erklärt Mitautor Nicolas Legewie. Daher sprechen sich die Autoren für staatlich finanzierte Unterstützungsprogramme, etwa im Bereich der frühkindlichen Bildung aus. Absolut betrachtet konnten für alle Geburtsjahrgänge von 1939 bis 1971 mehr Auf- als Abstiege beobachtet werden. Das sei vor allem strukturellen Veränderungen in der Bildungs- und Erwerbslandschaft geschuldet, etwa einem deutlichen Plus an Abiturienten und Hochschulabsolventen.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hält Hartz IV für überholt. Im Interview mit der "taz" (Mittwoch) antwortete er auf die Frage, ob er dafür sei, Hartz IV abzuschaffen: "Okay, dann sage ich das hiermit. Ich möchte diese 15 Jahre alte Arbeitsmarktreform perspektivisch überwinden." Zunächst gehe es aber darum, "eine neu ausgerichtete Arbeitsmarktpolitik mit einer sozial orientierten Beschäftigung statt Langzeitarbeitslosigkeit" zu schaffen. Die SPD und Hartz IV hätten eine Beziehung "mit Höhen und Tiefen", so Müller weiter. Mit der Agendapolitik sei das Grundvertrauen in die Partei verloren gegangen. Früher sei die SPD ganz selbstverständlich die Partei der sozialen Gerechtigkeit gewesen, und dort müsse sie wieder hinkommen. "Niemand kann wegdiskutieren, dass es in unserem Land und unserer Stadt große Ungerechtigkeiten gibt." Müller hatte bereits vor einigen Wochen ein solidarisches Grundeinkommen vorgeschlagen. Dieses sehe vor, jedem Single solidarisch 1.500 Euro brutto zukommen zu lassen; diese müsse er versteuern und dafür gemeinnützige Arbeit leisten, etwa bei der Betreuung von Senioren, Kindern oder als Schulhausmeister. "Mein Grundgedanke ist, den Menschen nicht durch Alimentierung, sondern durch Arbeit ein Auskommen zu sichern." Den Menschen Arbeit und eine Aufgabe in der Gemeinschaft zu geben, habe für viele einen hohen Stellenwert, so Müller. Er habe sein Konzept daher bewusst mit dem Begriff "solidarisch" verbunden, um es von einem "bedingungslosen" Grundeinkommen abzugrenzen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte sich bereits vor einiger Zeit offen für Gespräche über Hartz IV und ein solidarisches Grundeinkommen gezeigt. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)