In den kommenden 20 Jahren steigt die Altersarmut in Deutschland laut einer Studie trotz Reformbemühungen weiter an. Auch bei einer positiven Entwicklung der Wirtschaft drohe jeder Fünfte (21,6 Prozent) im Jahr 2039, im Alter arm zu sein. Das geht aus einer am Donnerstag in Gütersloh veröffentlichen Untersuchung der Bertelsmann Stiftung hervor. Das Armutsrisiko sei für Geringqualifizierte und Alleinstehende besonders hoch. Aktuell diskutierte Reformmodelle wie eine Grundrente seien "nicht ausreichend zielgenau". Das Armutsrisiko werde von etwa 16,8 auf 21,6 Prozent steigen, hieß es. Als armutsgefährdet gelten Personen, deren monatliches Nettoeinkommen unter 905 Euro liegt. Neben beschäftigungspolitischen Maßnahmen sind laut Studienleiter Christof Schiller auch zielgenaue Reformen des Rentensystems notwendig, um den Anstieg der Altersarmut zu bremsen. Der Anteil der Rentner, die zusätzlich zur Rente staatliche Unterstützung bekommen, steigt nach der Bertelsmann-Studie bis 2039 von derzeit etwa neun Prozent auf rund zwölf Prozent an. Dabei liege die Grundsicherungsschwelle für einen Ein-Personen-Haushalt bei etwa 777 Euro. Geringqualifizierte oder Alleinstehende seien im Vergleich zum Durchschnitt doppelt so häufig von Grundsicherung abhängig. Besonders stark steige das Armutsrisiko für ostdeutsche Rentner. Die Grundsicherungsquote liege in Ostdeutschland derzeit mit etwa 6,5 Prozent zwar unter dem Anteil im Westen mit rund zehn Prozent, verdoppele sich aber bis 2039 auf etwa 12 Prozent. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) machte sich erneut für eine Grundrente stark. Menschen müssten sich auf "ein Kernversprechen des Sozialstaats wieder verlassen können", erklärte er. Zudem brauche es "eine soziale Wohnungspolitik, eine bessere Lohn- und Gehaltsentwicklung sowie den sozialen Arbeitsmarkt". Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagte, die Studie zeichne "ein düsteres Bild von der Zukunft vieler heutiger Arbeitnehmer". Sie drängte darauf "die Weichen in der Rentenpolitik anders zu stellen". Wer jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt habe, verdiene eine ausreichende Rente. Für Menschen, die wegen einer Krankheit nicht mehr arbeiten können, forderte sie eine reformierte Erwerbsminderungsrente ohne Abschläge von bis zu 10,8 Prozent. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verlangte weitergehende Reformen. "Auf die wachsende Altersarmut trotz positiver Arbeitsmarktentwicklung kann es nur eine Antwort geben: ein stabiles Rentenniveau in Kombination mit Instrumenten des Solidarausgleichs", erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Die Studie "Anstieg der Altersarmut in Deutschland: Wie wirken verschiedene Rentenreformen?" basiert auf einer Simulation der Alterseinkommen 2015 bis 2050, wie es hieß. Die Daten wurden vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin erhoben. 30.000 Bürger in fast 12.000 Haushalten wurden dazu befragt. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)