Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die Einführung des sogenannten Bürgergelds auf den Weg gebracht. Es soll ab Januar die Leistungen für Arbeitslose über das Hartz-IV-System ersetzen. Das Bürgergeld gilt als das bedeutendste Sozialreformvorhaben der Ampelkoalition. Der Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) muss nun von Bundestag und Bundesrat beraten und verabschiedet werden.
Laut Ministerium soll das Bürgergeld Verbesserungen bei den Regelbedarfen, Einkommensfreibeträgen, Weiterbildungsmöglichkeiten, im Eingliederungsprozess und bei den Anspruchsvoraussetzungen bieten. Heil sprach von einem "starken Signal für Sicherheit und mehr Respekt". Die Regelung mache den Sozialstaat bürgerfreundlicher und entlaste langfristig die Jobcenter.
Das Bürgergeld sieht eine Erhöhung der Regelsätze um rund 50 Euro vor. Alleinstehende Erwachsene sollen dann 502 statt derzeit 449 Euro erhalten, Jugendliche 420 Euro, Kinder bis sechs Jahre 318 und bis 14 Jahre 348 Euro. Teilnehmer einer berufsabschlussbezogenen Weiterbildung sollen ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro erhalten.
Zudem soll es weniger Sanktionen bei mangelnder Zusammenarbeit mit dem Jobcenter geben. Im ersten halben Jahr sollen demnach die Sozialleistungen weniger gemindert werden können, wenn Betroffene einen Termin versäumen. Wird eine Arbeit nicht angenommen, obgleich sie zumutbar ist, sollen im ersten halben Jahr keine Sanktionen greifen.
Wer zwischen 520 und 1.000 Euro verdient, soll künftig mehr von seinem Einkommen behalten können. Die Freibeträge in diesem Bereich werden auf 30 Prozent angehoben. Auch die Freibeträge für Schüler, Studierende und Auszubildende werden erhöht.
Bezieher des Bürgergeldes dürfen laut Entwurf zwei Jahre lang Ersparnisse von 60.000 Euro behalten und in ihrer Wohnung bleiben können, auch wenn sie als zu groß gilt. Anschließend soll dies überprüft werden können.
Der FDP-Bürgergeld-Experte Jens Teutrine sprach von mehr "Fairness und Leistungsgerechtigkeit". Die CDU übte hingegen Kritik. "Das Prinzip des Förderns und Forderns wird mit dem Bürgergeld ausgehöhlt", beklagte der Vorsitzende des Arbeitnehmerflügel der Union Axel Knoerig (CDU), in den Zeitungen Funke Mediengruppe. Er forderte schärfere Sanktionen bei einer Nichtmitwirkung. Ferner müsse bei aller notwendigen Erhöhung der Sätze ein fairen Abstand zu Geringverdienern bleiben.
Nach Einschätzung der Linkspartei überwindet das Bürgergeld wiederum Hartz IV nicht wirklich. Dazu fehle eine "ehrliche Bemessung und Erhöhung der Regelsätze".
Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, verteidigte das Vorhaben. "Wenn jetzt Stimmen aus Handwerk, Industrie und Politik laut werden, dass mit dem geplanten Bürgergeld das Nicht-Arbeiten immer attraktiver wird, dann kann ich denen nur entgegnen: Wir brauchen höhere Löhne im Niedriglohnsektor", sagte Bentele.
Der Familienbund der Katholiken begrüßte die Regelung, sah aber Nachbesserungsbedarf bei den Regelsätzen. "Sie sind weiterhin zu niedrig", sagte der Präsident des Familienbundes Ulrich Hoffmann. Nötig sei "eine realistische Neuberechnung des Existenzminimums", damit "die Regelsätze nicht nur ein Ausgleich der Inflation im Rahmen eines kritikwürdigen Berechnungssystems sind." Dabei sei von einer Mindesterhöhung von 100 Euro auszugehen. (KNA)