Die SPD will älteren Menschen in großen Wohnungen einen unveränderten Mieterschutz garantieren. Überlegungen zu Wohnungstausch oder gar zu Strafabgaben seien gefährlicher Unfug, der niemals mit der SPD zu machen sei, sagte Generalsekretär Kevin Kühnert der "Augsburger Allgemeinen" (Freitag). "Es ist zwar richtig, dass ältere Menschen nicht selten in Wohnungen wohnen, die objektiv zu groß und oftmals auch nicht altersgerecht sind", fügte er hinzu: "Das tun sie jedoch nicht aus Rücksichtslosigkeit, sondern meist aus Mangel an leistbaren Alternativen. Gut gemeinte Wohnungstauschkonzepte haben sich in der Praxis als untauglich erwiesen."
Der SPD-Politiker wies damit Vorschläge der Linken zurück und auch einen Vorstoß des Regensburger Wirtschaftsprofessors Steffen Sebastian. Dessen Forderung, Mietpreise bei alten, günstigen Verträgen mit einer gleichzeitigen Vermieter-Abgabe deutlich zu erhöhen, um damit Subventionen wie das Wohngeld zu finanzieren, seien "lebensfremd und gefährlich", kritisierte Kühnert.
Das Grundübel des Wohnungsmarktes sei nicht mangelnder Tauschwille oder gar zu starker Mieterschutz, sondern die grassierende Wohnraumknappheit. In der Realität scheiterten Wohnungswechsel und das Finden von passendem und bezahlbarem Wohnraum an der Verfügbarkeit freier Wohnungen.
Der Deutsche Mieterbund hatte zuletzt den Vorschlag der Linksfraktion begrüßt, im Mietrecht eine Option auf Wohnungstausch zwischen Senioren und jungen Familien zu verankern. Dabei solle man "einen Anspruch auf Tausch von Wohnraum zu den jeweils bestehenden Mietpreisen gesetzlich etablieren".
Eltern, die abends das Sofa im Wohnzimmer zum Bett ausklappen, und Kinder, die auf einer Zwischenebene unter der Altbaudecke schlafen. Von solchen Notlösungen berichtete im Januar eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Auf der anderen Seite gebe es auch umgekehrte Fälle: etwa Rentner, die nach dem Auszug der Kinder und dem Tod des Partners weiter in der großen Familienwohnung bleiben, oder gut verdienende Singles, die sich Wohnungen mit Arbeits- und Gästezimmern leisten können.
Insgesamt leben laut der Analyse in deutschen Großstädten mit mehr als 100.000 Bewohnern 6,5 Prozent der Haushalte in "beengten Wohnverhältnissen". Davon ist die Rede, wenn es weniger Wohnräume als Haushaltsmitglieder gibt, also wenn etwa ein Paar mit zwei Kindern in einer Zwei- oder Dreizimmerwohnung lebt.
Betroffen seien vor allem Haushalte mit Migrationshintergrund und Familien. Von den Familien habe zuletzt knapp jede dritte in einer solchen Wohnung gelebt, von Haushalten mit Migrationshintergrund jeder fünfte. Wegen der hohen Mieten könnten sich viele Familien eine größere Wohnung nicht leisten.
Dagegen leben der Studie zufolge 6,2 Prozent der Haushalte in "großzügigen" Wohnungen, darunter viele Haushalte mit Bewohnern über 70. Zur Kategorie "großzügig" zählt das IW Wohnungen, in denen die Zahl der Wohnräume die der Haushaltsmitglieder um drei oder mehr übersteigt. In diese Kategorie fällt also zum Beispiel ein Single oder eine allein lebende Seniorin mit einer Vierzimmerwohnung.
Laut IW zeigen die Zahlen eigentlich ein großes Potenzial, die Wohnungsnot zu entspannen. Die gestiegenen Energiepreise setzten zudem zusätzliche Anreize, in kleinere Wohnungen umzuziehen. Außerdem empfahl das IW, Rentnern mit viel Platz mehr attraktive Angebote für eine Verkleinerung zu machen. So solle man sie etwa bei den Kosten und der Organisation des Umzugs unterstützen. Versuche mit Tauschbörsen hätten bisher aber noch keine große Wirkung gezeigt.
Das Bündnis "Soziales Wohnen", an dem unter anderem die Caritas beteiligt ist, hatte Mitte Januar eine Studie vorgelegt, nach der in Deutschland etwa 700.000 Sozialwohnungen fehlen. Einen solchen Bedarf habe es zuletzt vor 20 Jahren gegeben. Der Fehlbedarf ergebe sich unter anderem aus einer "Rekord-Zuwanderung" von Geflüchteten aus der Ukraine sowie aus anderen Teilen Europas. (KNA)