Berlin, den 25. August 2020 – Der Familienbund der Katholiken fordert politische Konsequenzen aus den Ergebnissen des am Dienstag in Gütersloh veröffentlichten "Ländermonitor frühkindliche Bildungssysteme" der Bertelsmann Stiftung. Die Studie hat eine weiter nur unzureichende Betreuungsqualität in Kitas offenbart. Familienbund-Präsident Ulrich Hoffmann sagte dazu heute in Berlin: „Wie sollen Eltern ihre Kinder guten Gewissens in Kitas betreuen lassen, wenn dort die Betreuungsqualität nach wie vor ein Schattendasein fristet? Von dem politisch richtigen Anspruch, dass Kitas Bildungseinrichtungen sind, ist die Lebenswirklichkeit in vielen Kitas noch weit entfernt, wenn es heute selbst an guter Betreuung hapert. Daran dürfte auch das im vergangenen November zwischen Bund und Ländern beschlossene Gute-Kita-Gesetz wenig ändern, solange erhebliche Finanzmittel des Gesetzes in die Senkung oder Befreiungen von Kitagebühren fließen. Das sogenannte Gute-Kita-Gesetz hat eine Unwucht, weil es das Qualitätsversprechen nicht einlöst, wofür es steht.“ Laut Bertelsmann-Studie seien Betreuungsschlüssel und Gruppengrößen in Kitas nicht kindgerecht und das Ausbildungsniveau des Kitapersonals teils zu niedrig, besonders in Westdeutschland. Für 74 Prozent der bundesweit 1,7 Millionen Kitakinder, berechneten die Studienautoren, stehe nicht genügend Fachpersonal zur Verfügung. Der Familienbund der Katholiken hatte in der Vergangenheit wiederholt dafür plädiert, der Schaffung einer möglichst einheitlichen und hohen Betreuungsqualität in Kitas die Priorität vor Beitragssenkungen oder -befreihungen einzuräumen.
„Aufgrund des großen Nachholbedarfs müssen die Finanzmittel nach 2022 jährlich um eine Milliarde erhöht werden“
„Die Kitaqualität fristet hierzulande seit Jahren ein unwürdiges Schattendasein“, sagte Hoffmann weiter. „Daran hat sich zumindest in der Lebenspraxis von Kitas bis heute nichts geändert. Der politische Wille, Kitas als Bildungseinrichtungen zu verstehen und ihre Qualität durch eine rasche Kofinanzierung durch den Bund anzuheben, ist zwar richtig. Die politischen Instrumente auf dem Weg dorthin sind aber halbherzig. Die Finanzmittel des Gute-Kita-Gesetzes dürfen keine kurzlebige Episode der Familienpolitik bleiben. Im Gegenteil: Aufgrund des großen Nachholbedarfs müssen die Finanzmittel nach 2022 jährlich um eine Milliarde erhöht werden. So ließe sich dem eklatanten Finanzdefizit der Kitas sukzessive begegnen und Wertverluste durch Inflation kompensieren“, sagte Hoffmann. Experten schätzen den zusätzlichen Finanzbedarf der Kitas hierzulande auf jährlich rund 15 Milliarden Euro.
„Eltern, die ihre Kinder einer Kita anvertrauen, haben das Recht auf eine bestmögliche Förderung und Betreuung“, sagte Hoffmann. „Kinder befinden sich bis zur Einschulung in der lernfähigsten Phase ihres Lebens. Die Grundlagen für den Erwerb elementarer Kulturtechniken und einer Qualifizierung für das Leben werden in der Vorschulzeit gelegt. Voraussetzung von Bildung ist aber immer, dass Kinder sich wohlfühlen und gut persönlich betreut werden. Deshalb ist ein guter Betreuungsschlüssel ein besonders wichtiges Qualitätsmerk-mal.“ In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass der Einsatz der Finanzmittel im Rahmen des Gute-Kita-Gesetzes durch ein Monitoring und eine Evaluierung valide begleitet werden müssen.
„Wie sollen Kinder stabile Bindungen aufbauen,
wenn Erzieher auf Jahre hinaus in Kitas in ausreichender Zahl fehlen werden?“
„Zu den größten Herausforderungen des Gute-Kita-Gesetzes gehört die Gewinnung von qualifizierten Fachkräften“, betonte Hoffmann. „Angesichts von Ausbildungskosten, geringer Bezahlung im Beruf und höchst anspruchsvoller Arbeit sind Nachwuchskräfte jedoch heute echte Mangelware.“ Hoffmann warnte: „Der Fachkräftemangel darf nicht dazu führen, dass Kitas auf nur unzureichend qualifiziertes Personal setzen. Das würde dem Qualitätsgedanken grundlegend widersprechen. Erschwerend kommt hinzu: Wie sollen Kinder stabile Bindungen aufbauen, wenn Erzieher auf Jahre hinaus in Kitas in ausreichender Zahl fehlen werden, die personelle Fluktuation hoch ist und Eltern mehr und mehr in die Erwerbsarbeit gedrängt werden, um Familienarmut zu vermeiden? Die Schlüsselfragen der Familienpolitik, sie bleiben auch durch das Gute-Kita-Gesetz unbeantwortet. Bei aller Diskussion um die Qualität der Kitas bleibt festzuhalten: Auch im Elternhaus können Kinder natürlich eine gute Förderung und Bildung erfahren. Man muss den Eltern nur die Zeit dafür geben.“
Durch das sogenannte Gute-Kita-Gesetz erhalten die Bundesländer bis zum Jahr 2022 finanzielle Zuschüsse in Höhe von 5,5 Milliarden Euro für Qualitätsverbesserungen in Kitas. Jedes Land kann nach eigenem Ermessen die Finanzmittel für zehn festgelegte Aufgabenfelder verwenden. Nach Aussage des Bundesfamilienministeriums geben rund ein Drittel der Bundesländer die Finanzmittel für Gebührensenkungen aus, rund zwei Drittel für qualitative Verbesserungen wie einen höheren Betreuungsschlüssel, qualifizierte Fachkräfte, sprachliche Bildung oder bedarfsgerechte Angebote.