Nach Auffassung des Familienbundes der Katholiken beschreitet der Entwurf der Abgeordnetengruppe um Katrin Helling-Plahr und Renate Künast den Weg zur gesellschaftlichen Normalisierung der Suizidhilfe und gefährdet das Leben von Menschen in existenziellen Krisen. Der Familienbund befürwortet den Entwurf der Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci und Ansgar Heveling, der neben dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch die durch Angebote geschäftsmäßiger Suizidhilfe entstehenden Gefahren für den Einzelnen und die Gesellschaft in den Blick nimmt.
Berlin, 6. Juli 2023. Der Präsident des Familienbundes der Katholiken, Ulrich Hoffmann, spricht sich dafür aus, nicht die Suizidberatung, sondern die Suizidprävention zu stärken: „Menschen in schweren Lebenskrisen benötigen Hilfe und Perspektiven und keine neutrale Beratung zum Suizid. Wenn der Entwurf von Helling-Plahr und Künast eine solche, neutrale Beratungsinfrastruktur für Menschen jeden Alters unabhängig vom Gesundheitszustand aufbauen und durch die öffentliche Hand fördern will, ist er nur scheinbar neutral. In Wirklichkeit fördert er Suizide.“
Eine Regelung der Suizidhilfe muss nach Auffassung des Familienbundes von der empirischen Realität der Suizide ausgehen. „Die Entscheidung jedes Menschen, der seine Not nicht mehr aushalten kann, ist zu respektieren. Aber beim Thema Suizid verbietet sich jedes Freiheitspathos“, so Ulrich Hoffmann. „Das Bundesverfassungsgericht stellt im Urteil zur Suizidhilfe fest, dass in rund 90 % der tödlichen Suizidhandlungen psychische Störungen, insbesondere in Form einer Depression vorlägen, die häufig schwer zu erkennen seien. Zudem würden 80 bis 90 % der aufgrund eines kurzfristigen Entschlusses durchgeführten Suizidversuche von den geretteten Suizidenten im Nachhinein als Fehlentscheidung gewertet. Das idealisierte Bild des freiverantwortlichen, nüchtern abgewogenen Suizids ist empirisch widerlegt. Es ist daher nach Auffassung des Familienbundes richtig, wenn der Entwurf von Castellucci und Heveling – im Gegensatz zum Entwurf Helling-Plahr und Künast – die Freiverantwortlichkeit und Dauerhaftigkeit des Suizidentschlusses durch eine zweimalige, im zeitlichen Abstand erfolgende fachärztliche Untersuchung prüft.“
Der Familienbund weist darauf hin, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Suizidhilfe oft einseitig interpretiert werde. Karlsruhe hat entschieden, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben eingeschränkt werden kann, wenn der Staat einen legitimen Zweck verfolgt und das Recht auf Sterben nicht faktisch entleert wird. Den Schutz des Lebens und der Autonomie des Einzelnen sowie die Verhinderung einer Normalisierung der Suizidhilfe und hat das Gericht als legitime Zwecke ausdrücklich anerkannt. Eine faktische Entleerung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben droht im Entwurf von Castellucci und Heveling nicht, da dieser neben dem grundsätzlichen Verbot der geschäftsmäßigen Suizidhilfe ein reguliertes Verfahren für die rechtmäßige Inanspruchnahme von Suizidhilfe vorsieht.
Ulrich Hoffmann verweist auf die lange Debatte im Bundestag, die 2015 zum Verbot der geschäftsmäßigen Suizidhilfe geführt habe: „Im Gegensatz zur aktuellen Diskussion war es eine zweijährige, ausführliche parlamentarische Debatte – mit Zeit zur Reflektion und großer Beteiligung der Zivilgesellschaft. Viele Abgeordnete haben in ihren Reden sehr persönliche Bekenntnissen abgegeben und ihre Gewissensentscheidungen begründet. Kommentatoren haben von einer Sternstunde der parlamentarischen Demokratie gesprochen. Der Entwurf von Castellucci und Heveling knüpft hier an und stellt eine Synthese zwischen dem Ertrag dieser Debatte und den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts dar. Die nach der Befürchtung des Familienbundes weitreichenden Folgen des Entwurfs von Helling-Plahr und Künast wurden bisher aber weder im Parlament noch in der Gesellschaft ausreichend diskutiert. Es darf in unserer Gesellschaft nicht zu einer Situation kommen, in der es leichter ist, Suizidberatung und Suizidhilfe zu erhalten als Hilfe bei persönlichen Krisen, gute Pflege und eine hinreichende Gesundheits- und Palliativversorgung."