Der Rücktritt von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) führt auch zu einem Nachdenken über die private Belastung von Politikern. Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang forderte am Dienstag eine Debatte über die Vereinbarkeit von Familie und politischen Ämtern. Im RTL/ntv "Frühstart" sagte sie auf die Frage, ob eine Ministerin ihr Amt ausüben könne, wenn sie vier kleine Kinder habe: "Das muss möglich sein in unserer Gesellschaft, wenn wir wollen, dass Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven Regierungsverantwortung übernehmen."
Sie sei überzeugt davon, dass dies das Regierungshandeln besser mache, so Lang. Der Fall Spiegel aber zeige "in aller Härte", dass es in der Gesellschaft beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch einiges zu tun gebe. "Ich würde mir wünschen, dass wir das auch als Anlass nehmen für eine Debatte darüber: Wie gehen wir eigentlich mit diesen Härten dieses politischen Betriebs um."
Lang widersprach dem Vorwurf, Spiegel sei von der Grünen-Spitze zum Aufgeben gedrängt worden. Man sei den ganzen Tag über mit ihr in Gesprächen gewesen. "Am Ende hat sie die Entscheidung getroffen, dass sie zurücktritt, um dieses Amt zu schützen." Lang bedauerte den Rücktritt.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) nahm Spiegel in Schutz und warb für mehr Vereinbarkeit von Politik und Familie. Im Fernsehsender "Welt" sagte Wüst: "Ich kann das nachvollziehen, dass Frau Spiegel zurückgetreten ist. Aber wichtig ist, glaube ich, in dieser Diskussion, dass wir möglich machen, dass auch in Zukunft Menschen mit Kindern, Menschen mit Familie politische Spitzenämter haben."
Es handele sich um ein Spannungsfeld: "Man ist da oft hin- und hergerissen zwischen Familie und Amt. Und das darf nicht dazu führen, dass am Ende nur Menschen, die keine Kinder haben, Politik machen können. Das wäre auch nicht gut für die Politik."
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch forderte eine Debatte über den oft zu großen Druck, unter dem Politikerinnen und Politiker stünden. "Dass es Anne Spiegel und ihrer Familie sehr schlecht ging, konnte sie offensichtlich nicht einmal ihrer Grünen Partei mit den sonst so hohen Moralansprüchen erzählen. Das sollte alle nachdenklich machen", sagte Bartsch der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Es sei richtig, dass Spiegel zurückgetreten sei. (KNA)