Angesichts des Pflegefachkräftemangels hat der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, zu kreativen und unkonventionellen Lösungen ermutigt. Das betreffe auch die rund 200.000 Pflegekräfte, die aus ihrem Job ausgestiegen seien, sagte Westerfellhaus am Donnerstag in Berlin. Knapp die Hälfte von ihnen könne sich bei besseren Rahmenbedingungen eine Rückkehr vorstellen. Der Pflegebevollmächtigte äußerte sich zu dem am Freitag beginnenden zweitägigen Pflegekongress, zu dem 1.700 Teilnehmer erwartet werden. Gute Arbeitsbedingungen seien der Schlüssel, um Pflegekräfte zu halten oder neue zu gewinnen und Aussteiger zur Rückkehr zu bewegen, erklärte Westerfellhaus. "Deshalb müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen, um moderne, familienfreundliche, attraktive Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte zu schaffen". Im vergangenen Jahr waren nach Angaben der Bundesarbeitsagentur 40.000 Stellen in der Pflege unbesetzt. Westerfellhaus regte etwa Prämien für Berufsrückkehrer und Teilzeitaufstocker an, sowie Innovative Arbeitszeitmodelle wie 80 Prozent arbeiten bei vollem Lohnausgleich und Zuschläge außerhalb der Pflegevergütung für Arbeitgeber, die gute Arbeitsbedingungen bieten. Er sprach sich ferner für eine bessere Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe und den Abbau von Bürokratie durch Digitalisierung aus. "Wenn es klemmt, wird der Gesetzgeber nachhelfen und den Weg ebnen", so Westerfellhaus. Er stellte auch ein Schulungskonzept für Führungskräfte in der Pflege vor, das von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Curacon entwickelt wurde. Diese arbeitet in der Strategie- und Organisationsberatung für Altenhilfeeinrichtungen. Es soll besonders kleine und mittelständische Pflegeeinrichtungen unterstützen. Der Pflegebevollmächtigte zeigte sich optimistisch, dass es gelingen werde, einen flächendeckenden Tarifvertrag in der Pflege durchzusetzen. Das sei angesichts sehr unterschiedlicher Arbeitgeber - es gibt kommunale, private und kirchliche Träger - sehr kompliziert, aber notwendig. Die Oberin der DRK-Schwesternschaft Berlin, Doreen Fuhr, forderte auch von Arbeitgebern ein Umdenken. Die Politik könne nur den Rahmen vorgeben. Die Pflege müsse sich aber "demokratisieren und emanzipieren". Sie trat für größere Offenheit gegenüber neuen Konzepten ein. Gerade jungen Pflegenden müsse mehr Raum gegeben werden, um eigene Vorschläge zu verwirklichen. Es gehe nicht nur Geld, sondern "um ein anderes Denken, eine andere Kultur mit flacheren Hierarchien". Der Gründer der "Kreativwerkstatt Pflege" bei den DRK-Kliniken Berlin, Alexander Warnke, verlangte mehr "Spielraum für eigenverantwortliches Handeln, horizontale Vernetzungsstruktur" und ein ganzheitliches Menschenbild bei der Pflege. Die Pflegedirektorin der Lukaskliniken Neuss, Andrea Albrecht, stellte ihr Projekt eines "Flexipools" vor. Dort aufgenommene Pflegekräfte könnten den Ausfall in den Fachbereichen aller Stationen abdecken.
Das Vorgehen des Bundestags bei der ethisch umstrittenen Präimplantationsdiagnostik (PID) stößt bei den Kirchen auf deutliche Kritik. Dass die Krankenkassen die Untersuchung von Embryonen auf Erbkrankheiten künftig unter bestimmten Bedingungen zahlen sollen, war überraschend in den Entwurf zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingefügt worden. Das Gesetz soll Kassenpatienten einen besseren Zugang zu Arztterminen verschaffen. In einem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden von Union, Ralph Brinkhaus (CDU) und SPD, Andrea Nahles, das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt, beklagen die Kirchen, dass ein "ethisch hoch sensibles Thema" offenbar durch einen "fachfremden" Änderungsantrag der Regierungsfraktionen "praktisch im parlamentarischen Hauruckverfahren" entschieden werden solle. Spätestens seit der kontrovers geführten Debatte um eine Zulassung der PID im Jahr 2011 sei die Brisanz des Themas bekannt, so die Kirchen. Es liege auf der Hand, dass eine Kostenübernahme durch die Solidargemeinschaft der Versicherten erneut schwerwiegende Fragen aufwerfe. Deshalb sei das nun gewählte parlamentarische Verfahren nicht nachvollziehbar. Der Vertreter der Evangelischen Kirchen beim Bund, Martin Dutzmann und sein katholischer Amtskollege Karl Jüsten bitten die Fraktionschefs deshalb, das Verfahren zu überdenken "und eine ausgewogene Debatte über dieses schwierige Thema zu ermöglichen". Dafür böte die vom Bundestag geplante Orientierungsdebatte über Fragen der Pränataldiagnostik "zeitnah einen passenden Rahmen", heißt es weiter. Bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) werden im Rahmen der Reagenzglas-Befruchtung befruchtete Eizellen außerhalb des Mutterleibs auf genetische Fehler untersucht und geschädigte Embryonen vernichtet. 2011 hatte der Bundestag eine begrenzte Zulassung von PID ermöglicht. Danach ist die Methode in Fällen zulässig, "in denen ein oder beide Elternteile die Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist". Bedingung ist die Prüfung jedes Einzelfalls durch Ethikkommissionen. Nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sollen die gesetzlichen Krankenkassen künftig die ethisch umstrittene Methode bei Paaren bezahlen, die trotz der Vorbelastung durch schwere Erbkrankheiten ein Kind bekommen wollen. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)