Familien sollen stärker unterstützt und finanziell entlastet werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf aus dem Bundesfinanzministerium billigte das Kabinett am Mittwoch in Berlin. Danach sollen vor allem Eltern mit Kindern vom "Familienentlastungsgesetz" (FamEntlastG) profitieren. Insgesamt sind Entlastungen von rund zehn Milliarden Euro geplant. Verbände wie der Deutsche Caritasverband und die Diakonie zeigten sich unzufrieden mit dem Ergebnis: Es erreiche nicht die wirklich Bedürftigen. Dem Gesetzentwurf zufolge soll unter anderem das Kindergeld ab dem 1. Juli 2019 um zehn Euro pro Monat steigen. Damit beträgt das Kindergeld monatlich für das erste und zweite Kind je 204 Euro, für das Dritte 210 Euro und für das Vierte und jedes weitere je 235 Euro. 2021 soll das Kindergeld nochmals um 15 Euro pro Kind erhöht werden. Auch der steuerliche Kinderfreibetrag sowie der Grundfreibetrag sollen entsprechend steigen. Beim Kinderfreibetrag sind es zunächst rund 200 Euro, ab 2020 dann etwa 400 Euro mehr. Beim Grundfreibetrag sieht der Gesetzentwurf eine Steigerung von zunächst etwa 170 Euro und ab 2020 von fast 400 Euro vor. Hinzu soll eine Entlastung mittlerer und unterer Einkommen bei der sogenannten kalten Progression eingeführt werden. Allein hierfür sind rund zwei Milliarden der zehn Milliarden Euro vorgesehen. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte, dass die Erhöhung des Kindergeldes und des Freibetrags vielen Familien konkret im Geldbeutel helfe. Zugleich kündigte Giffey an, dass sie auch den Kinderzuschlag erhöhen und vereinfachen wolle. "Dafür geben wir vor allem Familien mit unteren und mittleren Einkommen und Alleinerziehenden mehr staatliche Unterstützung." Der Deutsche Caritasverband und der Sozialdienst katholischer Frauen begrüßten den grundsätzlichen Ansatz, zeigten sich aber enttäuscht über das Ausmaß der geplanten Entlastung. Der Gesetzgeber vergesse Familien, die Hartz-IV bezögen. "Kinder in (Ein-Eltern)-Familien mit niedrigem Einkommen und Kinder von Beziehern von SGB II-Leistungen profitieren nicht von einer Erhöhung des Kindergeldes, da es vollständig auf den Bedarf des Kindes und auf den der restlichen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angerechnet wird", sagte die Bundesvorsitzende des Sozialdienstes, Anke Klaus. Caritas-Präsident Peter Neher ergänzte: "Es sind weitere Verbesserungen im SGB II und beim Kinderzuschlag dringend notwendig, um Kinderarmut in Deutschland langfristig zu bekämpfen." Leistungen für Kinder müssten deutlich besser aufeinander abgestimmt werden. Auch die Diakonie zeigte sich unzufrieden mit dem Gesetzesvorschlag. "Leider ist dieser Weg viel zu kurz gesprungen und geht an den Familien völlig vorbei, die eine solche Unterstützung am nötigsten brauchen", sagte Sozialpolitikvorstand Maria Loheide. Der Entwurf mit dem Fokus auf steuerrechtlicher Entlastung werde seinem Anspruch, Familien zu stärken und zu entlasten, nicht gerecht.
Das klassische Ein-Verdiener-Modell reicht laut einer Studie oft nicht zur Sicherung des Familienunterhaltes aus. Wenn Mütter über einen längeren Zeitraum keinen Job haben, sind die Kinder häufiger von Armut bedroht, wie es in einer am Mittwoch in Gütersloh veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung heißt. Das treffe vor allem auf Alleinerziehende zu. Aber auch in Paarfamilien steige das Armutsrisiko, wenn die Mutter nicht arbeite. Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens zur Verfügung hat. 96 Prozent der Kinder von Alleinerziehenden ohne Job wachsen laut der Untersuchung dauerhaft oder wiederkehrend in Armut auf. Demnach sind Kinder von Alleinerziehenden nur dann nicht von Armut bedroht, wenn die Mütter Vollzeit arbeiten. Bei einer Teilzeitbeschäftigung leben 20 Prozent der Kinder dauerhaft oder wiederkehrend, weitere 40 Prozent zeitweise in Armut, wie es hieß. Wenn Mütter in Paarfamilien keinen Job haben, lebt rund ein Viertel der Kinder dauerhaft oder wiederkehrend in Armut, wie es hieß. Arbeitet die Mutter jedoch Vollzeit, Teilzeit oder in einem Minijob, seien die Kinder meist finanziell abgesichert. Arme Kinder nehmen laut Bertelsmann nur eingeschränkt am sozialen und kulturellen Leben teil. Die bestehenden Leistungen für Bildung und Teilhabe reichen nach Ansicht der Stiftung nicht aus. Die Bedarfe von Kindern und Jugendlichen sollten systematisch erfasst und auf dieser Grundlage ein Teilhabegeld eingeführt werden. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Verena Bentele, sieht die Politik in der Verantwortung, einen Rahmen für familienfreundliche Arbeitsmodelle zu schaffen. Eltern sollten Zeit zum Arbeiten und für die Familie haben. Deshalb müsse die Kinderbetreuung zu Randzeiten ausgebaut und das Rückkehrrecht in Vollzeit eingeführt werden. Das Deutsche Kinderhilfswerk forderte eine gezielte Unterstützung von Alleinerziehenden und äußerte Kritik am Steuersystem. "Alleinerziehende werden ähnlich besteuert wie Singles, während verheiratete Paare vom Ehegattensplitting profitieren können." Der Kinderzuschlag müsse reformiert und "armutsfeste Hartz-IV-Regelsätze" eingeführt werden. Nach Ansicht der Grünen-Parteivorsitzenden Annalena Baerbock müssen bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es Müttern ermöglichen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Dazu zählten Kitaplätze, eine verlässliche Ganztagsbetreuung und "die Beendigung der Lohnungerechtigkeit". Nach Angaben von Bertelsmann können statistisch signifikante Aussagen nur zur Erwerbstätigkeit der Mütter getroffen werden. Fälle von alleinerziehenden Vätern oder Paarfamilien, in denen nur die Mutter arbeitet, seien zu wenige bekannt. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)