Die Bundesregierung hat am Mittwoch den Gesetzentwurf zum Rückkehrrecht von einer Teil- auf eine Vollzeitstelle beschlossen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach von einem großen Schritt. Die sogenannte Brückenteilzeit lasse vor allem Frauen nicht mehr in der Teilzeitfalle hängen, sagte Heil. "Damit ist die Brückenteilzeit auch ein aktiver Beitrag zur Gleichstellung von Frauen und zur Vermeidung von Altersarmut. Und sie sichert Fachkräfte, die wir dringend brauchen." Der Minister hatte den Entwurf bereits Mitte April in die Ressortabstimmung gegeben. Bis zuletzt gab es Unstimmigkeiten zwischen SPD und Union. Das Gesetz war zudem bereits in der vergangenen Legislaturperiode Bestandteil des Koalitionsvertrags. Die damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte einen Entwurf vorgelegt. Sie konnte sich mit der Union aber in einigen Punkten nicht darüber verständigen. Nach dem Entwurf aus dem Arbeitsministerium sollen Teilzeitbeschäftigte ab dem 1. Januar 2019 wieder leichter in Vollzeit zurückkehren können. Danach sollen alle Beschäftigten in Betrieben ab 45 Arbeitnehmern ein Recht auf eine befristete Teilzeitphase - ohne besondere Gründe - bekommen, die zwischen einem und fünf Jahre dauern kann. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht und keine schwerwiegenden betrieblichen Gründe dagegen sprechen. Auch sieht der Gesetzentwurf eine besondere Zumutbarkeitsgrenze für Betriebe zwischen 46 und 200 Arbeitnehmer vor. Hier muss der Arbeitgeber nur einem vom 15 Arbeitnehmern die temporäre Teilzeit gewähren. Darüber hinaus sieht der Entwurf Änderungen bei der Arbeit auf Abruf vor. Wie die "Bild"-Zeitung (Mittwoch) berichtet, hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) das Vorhaben am Montag noch einmal gestoppt - obwohl das Kanzleramt am Freitag bereits grünes Licht gegeben hatte. CSU-Landegruppenchef Alexander Dobrindt hatte den Entwurf als "noch nicht entscheidungsreif" bezeichnet. Am Dienstag setzte sich die Regierungszentrale aber laut Zeitung gegen die Bedenken Seehofers durch und setzte das Thema auf die Tagesordnung der wöchentlichen Kabinettssitzung. Die Gewerkschaft Verdi und der Familienbund der Katholiken begrüßten die Entscheidung. Die Reform des Teilzeitrechts sei ein wichtiger Schritt, weitere müssten aber folgen. "Das kann aber noch nicht alles gewesen sein." Familienbund-Präsident Stefan Becker sieht zentrale Arbeitnehmerrechte für Eltern unzureichend umgesetzt. "Die unselige Teilzeitfalle, in die beruflich kürzertretende Mütter und Väter bislang unweigerlich rutschten, kann der Gesetzentwurf künftig nur für Arbeitnehmer in größeren Unternehmen verhindern, die in kleineren haben das Nachsehen", so Becker. Das sei zwar ein Fortschritt, denn Teilzeitarbeit von Eltern ohne Rückkehrrecht sei einer der wesentlichen Gründe für Familienarmut. Eine familienfreundliche Handschrift fehle dem Gesetzentwurf leider trotzdem.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die lang diskutierte Verordnung zur Ausbildungsreform in der Pflege verabschiedet. Sie regelt Einzelheiten zur Ausbildungsstruktur, den Mindestanforderungen, den Ausbildungsinhalten, den Prüfungen und der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Zudem trifft sie Regelungen für eine akademische Pflegeausbildung. Die Verordnung muss noch vom Bundestag und Bundesrat gebilligt werden. Die neuen Regeln sollen ab 2020 greifen. Das von der großen Koalition kurz vor der Bundestagswahl beschlossene Pflegeberufegesetz führt eine sogenannte generalistische Ausbildung für Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege ein. Davon verspricht sich die Koalition eine höhere Attraktivität des Pflegeberufs und damit mehr Berufseinsteiger. Konkret sieht die Reform eine gemeinsame zweijährige Ausbildung für alle künftigen Pflegekräfte vor. Im dritten Jahr können sie dann die allgemeine Ausbildung fortsetzen oder sich auf die Pflege von Kindern oder alten Menschen spezialisieren. Das bisher teilweise noch zu bezahlende Schulgeld soll abgeschafft werden; die Auszubildenden erhalten eine Ausbildungsvergütung. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Mittwoch, die Verordnung sei ein wichtiger Schritt, um den Pflegeberuf moderner und attraktiver zu machen. "Wir wollen, dass sich möglichst viele für diesen verantwortungs- und anspruchsvollen Beruf entscheiden." Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) betonte, alle Auszubildenden bekämen erstmals die Möglichkeit, einen Berufsabschluss zu erwerben, der "automatisch europaweit anerkannt sein wird und der ihnen neue Karriereperspektiven eröffnet. Die Ausbildung wird endlich kostenfrei, so dass sich niemand mehr die Frage stellen muss: Kann ich es mir leisten, Pflegefachfrau oder -mann zu werden?" Der Arbeitgeberverband Pflege hatte sich am Montag erleichtert über Nachbesserungen an der Verordnung gezeigt. Er hatte immer wieder scharf kritisiert, dass die geplante einheitliche Ausbildung für alle Pflegeberufe in ihren theoretischen Teilen völlig überzogen sei und so auf Hauptschüler abschreckend wirke, eine Altenpflegeausbildung zu beginnen. Jetzt hätten sich die Fachpolitiker von Union und SPD auf einen neuen Kompromiss verständigt. So sollten die theoretischen Anforderungen erheblich weniger angehoben werden, "so dass auch viele Hauptschüler weiter eine Chance haben".
Die Pflegeversicherung wird im kommenden Jahr teurer. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach sich am Mittwoch in Berlin dafür aus, den Beitragssatz 2019 um 0,3 Prozentpunkte anzuheben. Der Minister begründete das mit einem Defizit von mehr als drei Milliarden Euro, das sich in der Pflegeversicherung bis Ende des Jahres abzeichnet. Seit 2017 liegt der Pflegebeitrag bei 2,55 Prozent beziehungsweise bei 2,8 Prozent für Kinderlose, die älter als 23 Jahre sind. Der Beitrag wird paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt. Hintergrund der Ausgabensteigerungen sind die Pflegereformen der vergangenen Jahre, die zu einer starken Inanspruchnahme von Pflegeleistungen geführt haben. Nach Angaben des Ministeriums erhalten 100.000 Menschen mehr Leistungen als vorausgesehen. Allein das mache Mehrausgaben von 1,1 Milliarden Euro im Jahr aus. Auch seien die Sozialleistungen für Pflegepersonen und die Ausgaben für ambulante Leistungen stark gestiegen. Spahn hatte schon im Mai angekündigt, dass der Pflegebeitrag spätestens 2019 erhöht werden müsse, und brachte eine Steigerung um 0,2 Prozentpunkte ins Spiel. Mit der nun geplanten Anhebung könne der Beitragssatz bis 2022 stabil bleiben, sagte er. Im Gegenzug forderte der Minister Entlastungen in anderen Sozialversicherungszweigen. Es gebe hier durchaus Spielraum, sagte er etwa mit Blick auf die Arbeitslosenversicherung. Hier ist im Koalitionsvertrag eine Senkung um 0,3 Punkte geplant. Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) forderte eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte. "Wir versprechen den Bürgern seit Monaten Entlastungen", sagte Linnemann der "Rheinischen Post" (Donnerstag). Der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung forderte eine Senkung des Arbeitslosenbeitrags um mindestens 0,5 Punkte. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält den höheren Beitrag für notwendig, aber nicht für ausreichend. "Es war klar, dass mit mehr Pflegebedürftigen auch die Ausgaben steigen", sagte Vorstand Eugen Brysch. Doch mache Spahn die Pflegeversicherung damit in keiner Weise zukunftssicher. "Schließlich ist die beabsichtigte Lohnsteigerung der Pflegekräfte noch gar nicht in den 0,3 Prozentpunkten eingepreist." Notwendig sei ein Zukunftskonzept, das die Ausgaben der Pflegebedürftigen begrenze und "den Staat durch Steuermittel in die Pflicht nimmt". (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)