Stellungnahme des Familienbundes der Katholiken

· Stellungnahmen

zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz)

I. Allgemeine Erwägungen

Der Familienbund begrüßt die grundsätzliche Zielsetzung der Reform des Verfahrens in Familiensachen und den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Insbesondere die Bemühungen mit dem Ziel einer vereinfachten und damit bürgernäheren Ausgestaltung der verfahrensrechtlichen Regelungen im Familienrecht werden unterstützt als sie die bisher lückenhaften Regelungen des FGG in einem Abgleich mit anderen Verfahrensordnungen zu einer zusammenhängenden Verfahrensordnung ausbaut.

Dass der Entwurf eine Erweiterung der sachlichen Zuständigkeit der Familiengerichte vorsieht, ist insoweit schlüssig und konsequent. Die Einführung des Großen Familiengerichts ermöglicht es, zukünftig tatsächliche zusammenhängende Rechtsstreitigkeiten, die Ehe und Familie betreffen, zusammenhängend und damit effektiver zu entscheiden. Für die Beteiligten häufig belastende Mehrfachbefassungen an unterschiedlichen Gerichten können so zumindest reduziert werden. Die Auflösung des Vormundschaftsgerichtes und die Einrichtung eines Betreuungsgerichtes werden positiv gesehen. Die gewählte Bezeichnung als „Betreuungsgericht" ist zudem geeignet einen niederschwelligeren Zugang zu diesem Gericht zu ermöglichen, als dies noch durch die landläufig negativ besetzte Bezeichnung „Vormundschaftsgericht" der Fall war. Eine veränderte Aufgabenzuteilung zwischen Großem Familiengericht, Betreuungsgericht und anderen Abteilungen des Amtsgerichts ist allerdings darauf angewiesen, dass diese auf dem Wege der Geschäftsverteilung bei der personellen Besetzung eine Entsprechung findet.
Ebenso positiv gesehen wird die vorrangige und beschleunigte Bearbeitung von Kindschaftssachen.

II. Zu den Regelungen im Einzelnen

1. § 102 FamFG-E
Der Durchsetzung von Entscheidungen im Umgangsrecht sowie zur Herausgabe des Kindes mittels Ordnungsgeld und Ordnungshaft steht der Familienbund der Katholiken zurückhalten gegenüber. Ohne zu verkennen, dass Rechtsinstrumente zu ihrer Durchsetzung aus general-präventiven Gründen wirkungsvoller Sanktionsmöglichkeiten bedürfen, werden Zwangsgeld und Zwangshaft im sensiblen Feld der Kindschaftssachen nicht als zielführende und verhältnismäßige Konfliktlöser angesehen. Vielmehr sind am Kindeswohl orientierte Maßnahmen zu ergreifen, die vermittelnde und unterstützende Angebote für Eltern – beispielsweise eine stärkere Beteiligung des Jugendamtes - beinhalten. Der vorgesehenen Erweiterung der Sanktionsmöglichkeiten wohnt demgegenüber die Gefahr inne, den bestehenden Konflikt durch eine weitere Polarisierung zusätzlich zu belasten. Deshalb ist eher an eine konsequente Inanspruchnahme der neben der Zwangsvollstreckung bestehenden Möglichkeiten zur Durchsetzung des Rechts der Kinder auf Umgang zu nutzen. So können die Familiengerichte Umgangspflegschaften anordnen oder die Aufenthaltsbestimmungsbefugnis für die Zeit des Umgangs auf das Jugendamt übertragen. Entsprechende Hinweise des Entwurfes auf das Cochemer Modell werden begrüßt.

2. § 132 FamFG-E
Nach §§ 132; 151 FamFG-E; 1313; 1564 BGB-E soll die Entscheidung über ein Echeidungsbegehren nicht mehr durch ein Urteil, sondern durch einen Beschluss ergehen. Die Scheidung der Ehe hat sowohl für die Ehegatten, die gemeinsamen Kinder, aber auch für die Rechtsgemeinschaft eine wichtige Bedeutung. Deshalb sollte diese wie bisher durch ein gerichtliches Urteil ausgesprochen werden.

3. § 143 FamFG-E
Die im Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen zum vereinfachten Scheidungsverfahren stoßen auf erhebliche Bedenken. Denn der Entwurf des FGGReformgesetzes sieht vor, dass an die Stelle der bisherigen einverständlichen Scheidung ein vereinfachtes Scheidungsverfahren tritt. Danach sollen scheidungswillige Ehegatten ohne gemeinsame Kinder dieses Verfahren durch übereinstimmende, notariell beurkundete Erklärung wählen können, wenn sie sich – ebenfalls in notarieller Form – über den Ehegattenunterhalt sowie über Hausrat und Ehewohnung geeinigt haben. Die Ehegatten sollen in diesem sowie in den nachfolgenden gerichtlichen Verfahren keine anwaltliche Vertretung mehr benötigen. Durch das Wegfallen der Rechtsanwaltgebühren sowie niedrigere Gerichtskosten wird eine Kostenersparnis für die Eheleute erwartet. Gleichzeitig wird zugunsten der Justizhaushalte erwartet, dass die Aufwendungen für Prozesskostenhilfe sinken. Die Notwendigkeit einer weiteren Vereinfachung des Scheidungsverfahrens wird bezweifelt. Ein solches Anliegen läuft vielmehr auf eine Verschlechterung des rechtlich-institutionellen Rahmens der Ehe hinaus. Es ist zu befürchten, dass die vorgesehenen Regelungen dem hervorgehobenen Charakter der Ehe als eine auf Lebenszeit geschlossene Solidar- und Einstandsgemeinschaft relativieren. Der Familienbund kann diesem Ansatz sowie den zugrunde liegenden Überlegungen nicht folgen. Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen. Die Eheleute sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung" so bestimmt es § 1353 Abs. 1 BGB.
Diese Regelung besteht aus gutem Grund. Wer eine Ehe eingeht, wählt eine Form des Zusammenlebens mit weit reichenden rechtlichen Folgen. Rechtliche Folgen, die nicht nur auf die Zeit des glücklichen und einvernehmlichen Zusammenlebens beschränkt sind, sondern die teilweise erst nach Trennung und Scheidung wirksam werden. Die Ehe ist keine beliebige zivilrechtliche Vereinbarung, nicht irgendein Vertrag, der jederzeit möglichst einfach und formlos wieder aufgelöst oder sogar einseitig gekündigt werden kann.
Die Ehe ist auch heute noch die verbindlichste, stabilste und meist gewählte Form des Zusammenlebens. Sie ist die Keimzelle der Gesellschaft. Deshalb stehen Ehe und Familie auch nach dem Grundgesetz unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung (Art.6 Abs.1 GG). Dieser Erkenntnis hat der Gesetzgeber auch durch die Gestaltung des Scheidungsverfahrens Rechnung zu tragen. Eine Veränderung des rechtlichen Rahmens der Ehe verändert die Ehe-Kultur. Bereits kleine Veränderungen der Rahmenbedingungen können die Stabilität von Beziehungen verschlechtern. Die mit der Ehe als Institution verbundene Selbstbindung der Ehegatten wird unglaubwürdig, wenn die Scheidung ohne weiteres möglich wäre. Bereits die beabsichtigten Verfahrensvereinfachungen können Auswirkungen auf das Verhalten der Partner während der Ehe haben. Denn gerade am Anfang oder in Krisensituationen werden diese nicht mehr im gleichen Umfang auf die Stabilität ihrer Partnerschaft vertrauen. Eine für die Betroffenen unproblematische und schnell abzuwickelnde Scheidung – in der öffentlichen Debatte auch als „Scheidung light" bezeichnet – würde somit den Respekt vor der Institution Ehe und damit den Schutz der Ehe schwächen. Eine Konsequenz von Verschlechterungen des gesetzlichen Eheschutzes ist die abnehmende Bereitschaft unverheirateter Paare, überhaupt noch eine Ehe einzugehen, weil die sich deren Attraktivität verschlechtert. Die Ehe macht bei einer weiteren Relativierung immer weniger einen Unterschied zu anderen Partnerschaften; letztendlich – so wird der Anschein vermittelt - gibt es immer weniger Gründe zu heiraten. (Dies hat etwa die Entwicklung in Schweden gezeigt, wo der Gesetzgeber die Rechtswirklungen der Ehe gegenüber ehelosen Partnerschaften fast vollständig beseitigt hat. Als Folge davon ist die Zahl der Ehen sehr stark gesunken. Dies begünstigt die Fortschreitung der Individualisierung der Gesellschaft mit allen bereits absehbaren negativen Folgen für das Gemeinwesen.

4. § 147 FamFG-E
Angesichts der weitreichenden Rechtsfolgen, die eine Scheidung für die Betroffenen mit sich bringt, bleibt eine obligatorische Beratung in Scheidungssachen zum Schutze der Parteien unverzichtbar. Eine umfassende Beratung kann nicht – so wie im Referentenentwurf vorgesehen – durch einen Notar erfolgen. Dieser ist zur Neutralität verpflichtet und kann und darf die Interessen der Beteiligten nicht wahrnehmen. Die bestehende Verpflichtung wenigstens einen Anwalt für die Scheidung heranzuziehen – der Familienbund hält nach wie vor einen Anwalt für jede Partei für erforderlich –, wurde vom Gesetzgeber geschaffen, um ein Mindestmaß an fachlicher Beratung in einen so komplexen Verfahren, wie einer Ehescheidung zu gewährleisten. Dies diente insbesondere dem Schutz der Frau, der als häufig wirtschaftlich schwächeren Partei, ein ihr zugewandter Rechtsbeistand zugebilligt wurde. Es ist daher zu befürchten, dass einvernehmliche Scheidungen ohne anwaltliche Beratung Nachteile für den rechtsunkundigeren Ehegatten nachsichziehen könnten.

5. § 180 FamFG-E
§ 180 FamFG-E soll die Verfahrensposition des die Vaterschaft Anfechtenden stärken. Die Schlüssigkeit des Antragsvortrages soll nicht mehr davon abhängen, dass er Gründe für die Zweifel an seiner Vaterschaft darlegen muss. Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Kläger Umstände vortragen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes von dem als Vater geltenden Antragsteller zu wecken und die Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem anderen Mann als nicht ganz fern liegend erscheinen zu lassen.Der BGH führt zu Recht aus, dass der Gesetzgeber sein Gestaltungsspielraum nicht verletzt hat, indem er sich bei der Bestimmung der Anfechtungsfrist mehr am Wohle des Kindes als den Interessen des Mannes orientiert und eine Anfechtungsfrist von zwei Jahren ab Kenntnis bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen für angemessen angesehen hat. Deshalb sollte für die Schlüssigkeit des Anfechtungsverfahrens auch zukünftig erforderlich sein, dass Gründe für die Zweifel an der Vaterschaft dargelegt werden müssen.

 

Für den Familienbund der Katholiken Berlin, den 03.08.2006:
Alfons Thesing, Sachbeauftragter(Amtsgerichtsdirektor a.D.)
Michael Korden, Wissenschaftlicher Referent


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