Stellungnahme des Familienbundes der Katholiken

· Stellungnahmen

zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts (BTDrs. 16/1830)

I. Allgemeine Erwägungen

Der vorliegende Entwurf verfolgt die Zielsetzung „das Unterhaltsrecht an die geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse und den eingetretenen Wertewandel“ anzupassen. In der Begründung werden hierzu empirische Daten herangezogen, die eine veränderte Realität von Ehe und Familie beschreiben sollen. Und in der Tat stellen die zunehmende Häufigkeit von Scheidungen sowie der Anstieg der außerehelichen Geburten und der Alleinerziehenden die Gesellschaft und damit auch den Gesetzgeber vor neue Herausforderungen. Wie die in diesem Zusammenhang bemühten Statistiken belegen, scheint sich der Zusammenhalt der Menschen in der Lebens- und Erziehungsgemeinschaft der Familie zu lockern und die gegenseitige Bindung in einer lebenslänglichen Verantwortungs- und Beistandsgemeinschaft geschwächt zu sein. Ein Trend der sich nicht nur auf das Unterhaltsrecht auswirkt, sondern sich beispielsweise über die hiermit im Zusammenhang stehende Abnahme der Geburtenrate unmittelbar auch auf die Zukunftsfähigkeit der Sozialen Sicherungssysteme auswirkt. Auch der Familienbund der Katholiken sieht die beschriebenen gesellschaftlichen Veränderungen ohne zu verkennen, dass sich die Familienwirklichkeit überwiegend in anderen Formen stattfindet. Die Schlussfolgerungen und die darauf beruhenden vorgeschlagenen Gesetzesänderungen treffen jedoch nicht auf uneingeschränkte Zustimmung.

Das deutsche Grundgesetz stellt die Lebensgemeinschaft von Ehe und Familie unter den „besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“ (Art. 6 GG). Dieser Schutzauftrag verpflichtet den Staat, das Institut der Ehe und Familie zu achten und zu schützen und diese durch geeignete Maßnahmen zu fördern sowie vor Beeinträchtigungen und Belastungen zu bewahren. Die Rechtsordnung definiert die Ehe als die durch die Rechtsgemeinschaft anerkannte und auf Dauer angelegte Verbindung von Mann und Frau zur umfassenden Lebensgemeinschaft. In diesem Sinne fordert der Grundsatz der Lebenslänglichkeit ein Ehe-, Scheidungs- und Unterhaltsrecht, das die Ehe möglichst stärkt und erhält.

Nicht alle der im vorliegenden Entwurf enthaltenen Neuregelungen berücksichtigen den Förderauftrag des Art. 6 GG in ausreichendem Maße. Zu stark wird der Grundsatz der Eigenverantwortung nach der Ehe betont. Dabei wird ausgeblendet, dass die Entscheidung für die Ehe in dem Bewusstsein geschlossen wurde, Verantwortung füreinander auch für den Fall des Scheiterns der Lebensgemeinschaft zu übernehmen. Die Eheleute gehen auch heute noch den Bund fürs Leben in der Erwartung ein, dass derjenige Ehegatte der sich arbeitsteilig und bewusst für die Erziehung der gemeinsamen Kinder entscheidet, keine Nachteile durch die Rechtsordnung erfährt. Dem Gedanken der Wahlfreiheit entsprechend wünschen und erwarten die jungen Paare vielmehr sogar, dass ihnen der Staat die Möglichkeiten bietet, eigenverantwortlich entscheiden zu können, ob überhaupt, wie lange und in welchem Umfang (Vollzeit oder Teilzeit) sie in Elternzeit gehen. Die beabsichtigten Änderungen insbesondere der Rangregelung und der Erwerbsobliegenheit verkürzen jedoch den Entscheidungsspielraum des Ehegatten, der für die Familienarbeit eine vormalige Erwerbsarbeit aufgibt. Diesem Ehegatten wird durch die vorgesehene Neuregelungen ein Stück Sicherheit für den Fall des Scheiterns der Ehe genommen. Hierdurch werden Anreize für einen möglichst kurze Elternzeit gegeben, welche die Wahlfreiheit einschränken. Gleichzeitig berücksichtigt der Entwurf nicht die Probleme auf dem Arbeitsmarkt, die einen Wiedereinstieg in den Beruf nach dem Ende der Familienphase nicht ohne weiteres als jederzeit möglich erscheinen lassen. Ebenso wird ausgeblendet, dass aktuell lediglich für 7-8 Prozent der unter Dreijährigen Betreuungsplätze vorhanden sind und eine Berufsrückkehr erst bei einer gesicherten Kinderbetreuung erfolgen kann.

Insgesamt ist festzustellen, dass zwar bei der Rangordnung dem Kindeswohls Priorität zukommen soll. Der Gesetzesentwurf im Übrigen jedoch auf eine Stärkung der Eigenverantwortung und damit ein Zurückdrängen des Grundsatzes der nachehelichen Solidarität abzielt.

 

II. Zu den Vorschriften im Einzelnen

1. zu § 1569 BGB- E

Gegen eine Änderung des § 1569 BGB bestehen Bedenken.

Es erscheint zweifelhaft, ob die gesellschaftlichen Veränderungen und gewandelten Wertvorstellungen, mit denen der Gesetzesentwurf sein Änderungsanliegen begründet, hinreichend ausgewertet wurden. Der Gesetzesentwurf beruft sich auf eine geänderte Rollenverteilung in der Ehe. Zunehmend blieben beide Ehegatten selbst dann erwerbstätig, wenn aus der Ehe Kinder hervorgehen. Folge davon sei ein Wertewandel. Der Grundsatz der Eigenverantwortung der Ehegatten nach einer gescheiterten Ehe finde immer größere Akzeptanz. Leider differenziert der Gesetzentwurf die Erwerbstätigkeitswünsche der Ehepartner nicht näher. Das gewünschte Arbeitszeitmuster variiert nach Anzahl der Kinder und dem Alter des jüngsten Kindes. Überwiegend wird ein Arbeitszeitmuster bevorzugt, nach dem ein Partner vollzeit- und der andere Partner teilzeiterwerbstätig ist. Zu beachten ist ferner die schwierige Arbeitsmarktsituation, die in vielen Fällen die Aufnahme einer Erwerbsarbeit erschwert oder verhindert. Ohne Rücksicht auf diese Umstände aus einem gesteigerten Erwerbswunsch Rechtspflichten abzuleiten, könnte vielfach zu Härten führen.
Der geltende § 1569 BGB eröffnet für die Rechtsprechung ausreichend Spielraum, um auf gesellschaftliche Veränderungen und Einstellungen zu reagieren. Eine Stärkung des Grundsatzes der Eigenverantwortung und ein Zurückdrängen des Grundsatzes der nachehelichen Solidarität bedarf es nicht.

Das Zurückdrängen von einfachrechtlichen Bestimmungen, die den Ehemerkmalen Ausdruck verleihen, kann auch das Eheverständnis beeinflussen. Der Grundsatz der nachehelichen Solidarität muss daher schon aus diesen übergeordneten Erwägungen seine wichtige Bedeutung behalten.


2. Artikel 1, zu Nr. 13, § 1609 BGB-E

Die beabsichtigte Rangregelung überzeugt nicht.

Der Gesetzesentwurf begründet die besondere Rangstellung der Kinder damit, dass Kindern als den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft, die, anders als andere Unterhaltsberechtigte, ihren notwendigen Lebensbedarf nicht selbst erzielen könnten, ein besonderer Schutz zukommt, der die alleinige Stellung im ersten Rang rechtfertigt. Unstreitig ist, dass die minderjährigen unverheirateten Kinder im ersten Rang sein müssen. Sie sind besonders schutzwürdig, weil sie sich nicht selbst ernähren können. Fraglich ist jedoch, ob - wie der Gesetzesentwurf annimmt - die besondere Schutzbedürftigkeit es rechtfertigt, die Ehegatten auf die nachfolgenden Ränge zu verweisen. Bisher hat die Rechtsprechung eine Verschiebung des geschiedenen Ehegatten in den zweiten Rang mit der Begründung abgelehnt, dass dies im klaren Widerspruch zu dem sich aus § 1582 in Verbindung mit § 1609 BGB ersichtlichen Grundgedanken der unterhaltsrechtlichen Regelungen stände. Demnach soll ein Ehegatte zum Ausgleich dafür, dass er sich nach Einführung des Zerrüttungsprinzips grundsätzlich einer Scheidung seiner Ehe auf Dauer nicht widersetzen kann, jedenfalls mit seinem nachehelichen Unterhaltsanspruch so weit wie möglich gesichert sein. Diese Anliegen verdient auch heute noch Beachtung.

Trotz der gleichen Rangstellung räumt die Rechtsprechung den Kindern gewissermaßen einen Vorrang ein. Die Unterhaltsleistungen für Kinder prägen die ehelichen Lebensverhältnisse. Sie sind bei der Berechnung des nachehelichen Ehegattenunterhalts zu berücksichtigen. Eine Änderung der Rangfolge ist aus diesem Grund nicht erforderlich.

Überdies hat der Gesetzgeber einer bestehenden Ehe auch finanzielle Effekte eingeräumt, die er einer geschiedenen Ehe vorenthält. So stehen die Möglichkeiten des Ehegattensplittings allein der bestehenden Ehe zu. Der Splittingeffekt ist bei der Berechnung des nachehelichen Unterhalts nicht zu berücksichtigen. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass geschiedene Ehegatten vielfach Schwierigkeiten bei der Bemessung und Durchsetzung ihres Unterhaltsanspruchs haben. Aus diesem Grunde sollte das Unterhaltsrecht dazu beitragen, wenigstens die rechtliche Position des unterhaltsberechtigten Teiles zu stärken.

Insgesamt erscheint das geltende Rangverhältnis zwischen geschiedenem und neuem Ehegatten angemessener als die mit dem Gesetzesentwurf angestrebte Änderung.

Der Gesetzesentwurf begründet mit dem Kindeswohl, dass Elternteilen, die Kinder betreuen, der zweite Unterhaltsrang eingeräumt wird. Es stelle ein „Gerechtigkeitsdefizit“ des geltenden Rechts dar, wenn der Personenstand der Eltern ausschlaggebend dafür ist, welchen Rang ein Elternteil einnimmt. Der Personenstand sei kein taugliches Differenzierungskriterium bei der rangmäßigen Einordnung von Unterhaltsansprüchen. Der Entwurf übersieht, dass der Personenstand nicht bloß eine rechtliche Verbindung dokumentiert. Die Ehe ist eine Verantwortungs- und Fürsorgegemeinschaft. Der nacheheliche Unterhaltstatbestand wegen der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes beruht auch auf der nachehelichen Solidarität. Dieser zusätzliche Umstand rechtfertigt das geltende Rangverhältnis zwischen den Betreuungsunterhaltsansprüchen verheirateter bzw. geschiedener Ehegatten einerseits und ledigen Elternteilen andererseits.

Der Familienbund der Katholiken sieht damit keine dringende Notwendigkeit für eine Reform des Unterhaltsrechtes in diesen Punkten.

Für den Familienbund der Katholiken 
Dr. Markus Warnke/Bundesgeschäftsführer
Michael Korden/wiss. Referent

Berlin, 12. Oktober 2006

Download: Dokument als PDF